: „Studierende würden mobiler“
Die Studierenden-Tickets haben eine verkehrspolitische Wirkung für ganz NRW, sagt der Verkehrswissenschaftler Herbert Baum. Er plädiert für eine landesweite Dauerkarte
taz: Herr Baum, Sie haben gerade eine Studie erstellt zum Semesterticket und dessen Akzeptanz bei Studierenden. Was kam dabei heraus?
Herbert Baum: Unser Ziel war es, zu klären, ob eine Ausweitung des Semestertickets über die bisherigen Verbundgrenzen hinaus sinnvoll ist und von den Studierenden akzeptiert wird. Im Ergebnis wünscht das eine große Zahl der Studierenden. Dadurch sind sie viel mobiler.
Mehr Mobilität bei den Studierenden – was würde das für das Land Nordrhein-Westfalen bedeuten?
Für das Land hätte das eine verkehrspolitische Wirkung. Die Bereitschaft der Studierenden, auf ihren privaten PKW zu verzichten, würde größer. Der Anteil des Öffentlichen Personennahverkehrs würde steigen. Der gesamte ÖPNV würde attraktiver für die Studierenden.
Würde sich das auch für die Verkehrsverbünde lohnen?
Ja, aber die Aufhebung der Verbundgrenzen wäre auch mit höheren Kosten verbunden.
Warum?
Die Verkehrsverbunde hätten einen Einnahmeverlust: Heute muss bei jedem verbundübergreifendem Verkehr neues Fahrgeld bezahlt werden. Dieses Geld würde dann aber entfallen. Für diesen Einnahmeverlust würden die Verkehrsverbünde einen Ausgleich haben wollen. Die Preise für das Semesterticket müssten also wohl angehoben werden.
Ist das durchsetzbar? In Münster wäre das Semesterticket wegen einer Preiserhöhung gerade fast im Studierendenparlament gescheitert.
Wir haben dazu eine Befragung von rund 5.000 Studierenden in Nordrhein-Westfalen an fünf unterschiedlichen Hochschulstandorten gemacht. Es zeigte sich, dass die Studierenden bereit sind, durchschnittlich 13 Euro mehr für das Semesterticket zu bezahlen, wenn es NRW-weit nutzbar ist.
Wären dann nicht mehrere Arten von Tickets sinnvoll: Ein teureres NRW-weites oder ein billigeres Verbundweites?
Das kann ich mir vorstellen. Wir sind bei unserer Studie aber davon ausgegangen, dass eine verbundübergreifende Lösung für ganz NRW kommen wird. Das ist die Fragestellung, die die Auftraggeber – das Ministerium für Verkehr und Bauen und der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) – mit der Studie verfolgten: eine einheitliche Lösung für ganz Nordrhein-Westfalen.
Wie kann das umgesetzt werden? Dazu müssten doch alle Verkehrsverbünde und die Studierendenschaften an einen Tisch.
Das müsste koordiniert werden. Beim Verkehrsverbund Rhein-Sieg gibt es ein Kompetenzzentrum für Marketing, dass die Verhandlungen federführend übernehmen könnte.
Mit dem Koch-Steinbrück-Papier wurde auch bei den Verkehrsverbünden gekürzt. Diese bekommen weniger Ausgleichzahlungen, Tickets für Auszubildende und Studierende werden deswegen teurer. War das ein Fehler?
Ja. Man muss ja sehen, dass Studierende zu der Gruppe derjenigen mit geringerem Einkommen gehören. Durch eine Verteuerung ohne Leistungssteigerung würden ihnen Nachteile entstehen. INTERVIEW: DIRK ECKERT