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Archiv-Artikel

Tragikomische Buddenbrooks

Als die ARD im Jahr 1973 mit „Klimbim“ erstmals Comedy machte, waren die Darsteller der Fernsehfamilie sofort Kult, allen voran die frivole Ingrid Steeger. Heute verkörpert die 55-Jährige den tiefen Fall, der dem steilen Aufstieg folgte

VON ALBERT HEFELE

Die Meldung, die da irgendwann im Sommer durch allerlei goldene Blätter geisterte, machte auch Leute traurig, die keine Fans der „Klimbim“-Familie waren: „Ingrid Steeger ist wieder liiert“, hieß es da. Und es wäre auch nichts Besonderes, wenn es sich bei dem damals „Neuen“ nicht um einen Physiotherapeuten namens Simon gehandelt hätte. Er habe sich um ihre Schleimbeutelentzündung im Knie gekümmert, und dabei sei man sich näher gekommen. Nichts gegen Physiotherapeuten, damit wir uns recht verstehen. Das sind bisweilen „sehr ruhige Menschen“ (Ingrid Steeger). Und doch bedeutet, bei aller Wertschätzung, eine solche Wahl unter solch prosaischen Umständen für eine Frau wie Ingrid Steeger einen – sagen wir es ruhig – erheblichen Abstieg.

Schließlich hatte die Steeger Regisseure wie Wedel, Großwildjäger wie Herrn Koenecke und indianische Umweltschützer wie Tom LaBlanc als Partner und Ehemänner, von ihren Affären mit den ganz Großen des deutschen Showbiz ganz zu schweigen.

Das ist traurig. Gerade für uns Jungsenioren, die wir die Steeger bei ihrem Aufstieg begleiten durften. Aus der Ferne, versteht sich. Wir meinen uns noch dunkel daran zu erinnern, wie sie zur „Miss Filmfestival“ gewählt wurde, damals, Ende der Sechzigerjahre. Verfolgten wir auch ihre Karriere im Leichtporno-Geschäft? Eher nicht, denn damals war es gar nicht so einfach, als junger Mensch in Filme wie „Liebestolle Baronessen“, „Blutjunge Verführerinnen“ oder „Der lüsterne Türke“ zu gelangen. Wirklich wahrgenommen haben wir sie wohl erstmals anlässlich der „Klimbim“-Show.

Am 24. Juli 1973 wurde die Comedy-Serie zum ersten Mal ausgestrahlt und war auf der Stelle Kult, obwohl es den Ausdruck in diesem Zusammenhang noch gar nicht gab. Kult, weil „Klimbim“ damals das Frechste und Schärfste war, das man sich denken konnte. Können wir Jungsenioren uns daran wirklich noch erinnern? Ich denke schon. Steeger und Volkmann waren erotische Lichtblicke in der eher öden TV-Landschaft der Siebziger.

Wen gab es denn sonst schon? Anneliese Rothenberger. Ja, ich weiß, es ist schrecklich, aber wir Männer sind so. Es ging natürlich auch um Humor. Denn der Humor diente als offizieller Anlass, um einen Blick auf freizügige Damen zu werfen und sich an anzüglichen Texten zu delektieren. Ein Prinzip, das nicht neu und immer noch wirksam ist, von „Eine schrecklich nette Familie“ über „Sex in the City“ bis zu den „Desperate Housewifes“.

Wo es was zu Lachen gibt, ist kein Platz für wirklich „gefährliche“ Erotik, da kann auch Papa mal ein Auge riskieren. Unter den vor 30 Jahren herrschenden Medienzuständen waren Steeger und Volkmann jedenfalls ehehygienische Schnäppchen, die man sich ungern entgehen ließ und der Show einen verlässlichen Zuschauerstamm bescherten. Bis heute gehören die eher mäßig begabten Aktricen zu festen Größen in der Geschichte des deutschen Fernsehens.

Wie gesagt: „Klimbim“ war Kult. Der immer kriegslüsterne Opa mit den Orden am Bademantel, die jederzeit zum Beischlaf bereite Mutter mit Lippen wie Stoßstangen, der tölpelhafte Liebhaber mit dem Menjou-Bärtchen. Und eben Gabi, das „Horror“-Kind.

Ingrid Steeger war Gabi. Ein Art stilisierter Rotzlöffel, eine Schablone mit riesiger Brille, riesigen Sommersprossen, Schleife im Haar, einer „süßen“ Zahnlücke und einem – Gipfel der Originalität – riesigen Schlabberlatz. Dazu war sie frech wie Oskar und mit einer Stimme gesegnet, die sensiblen Menschen Pusteln machte.

Gabi alias Steeger also war der Unruheherd, sozusagen das anarchische Moment in der sowieso schon mächtig bekloppten Familie aus Mutter Jolante von Scheusslich (harr!), ihrem Rammler Adolar von Scheusslich (harrharr!) und Opa Klimbim mit der Gummiglatze (harrharrharr!). War das witzig?

Wenn man ganz hinten in der Ablage kramt, war da schon etwas, das einen Adoleszenten kichern machen konnte. Nicht auf allerhöchstem Niveau, aber wer will das schon? Horst Janson, der bekanntlich seit ewigen Zeiten in „Forsthaus Falkenau“ reüssiert, ist immerhin der Meinung: „Klimbim war eine der besten Comedy-Shows, die es je im deutschen Fernsehen gegeben hat.“ Wohlgemerkt: Janson ist nicht der einzige, der so denkt und spricht. 2003 wurde die 1979 nach fünf Staffeln eingestellte Reihe sozusagen posthum mit dem deutschen Comedy-Preis geehrt. Nein, das „posthum“ nehme ich hiermit zurück, darüber macht man keine Witze. Vor allem dann nicht, wenn die vor zwei Jahren gestartete Reunion-Tournee der Darsteller manchmal ins Stocken gerät, weil mal wieder einer der Darsteller umgefallen ist. Aktuelles Beispiel: Peer Augustinski, wegen Schlaganfall. Ein Ergänzungsspieler, zugegeben, aber doch dem Kernteam zuzurechnen.

Anlässlich solcher Vorfälle muss die Frage erlaubt sein, ob die Idee mit der „Wiedererweckungs-Tour“ eine gute Idee war. Es heißt zwar, die Show sei gut besucht und die Menschen würden mit großer Begeisterung den alten und neuen Witzen lauschen. Aber aus nächster Nähe sind Verfall und bröckelndes Rouge eben deutlich sichtbar. Und es ist traurig, wenn man zusehen muss, wie sich die Reihen lichten.

Dabei kann man der Truppe eine gewissen Zähigkeit nicht absprechen, auch wenn sich die „Klimbim“-Männer frühzeitig in ruhigere Gewässer verabschiedet haben. Wichart von Roell, „Klimbim“-Opa, ist heute vor allem eine gefragte Synchronstimme. Und Horst „Adolar“ Jüssen schreibt Theaterstücke und Bücher mit etwas rätselhaften Titeln („Jeshua“) und ist ansonsten hauptsächlich als Ehepartner von Lena Valaitis aufgefallen.

Da sind die Damen des „Klimbim“-Quartetts schon zu beeindruckenderen Leistungen in der Lage, wie das Beispiel der Stehauffrau Volkmann beweist. Wer weiß schon, dass sie mal auf Sopranistin gelernt hat, bevor sie auf Soft-Porno-Darstellerin umgesattelt und anschließend die enthemmte „Klimbim“-Mutter dargestellt hat? Dass die Volkmann mit Fassbinder gedreht hat, von „Hoppe, hoppe Reiter“ über „Lola“ und „Die Sehnsucht der Veronika Voss“. Keine Berührungsängste, in jeder Hinsicht. Volkmann macht alles und zeigt alles und ist mittlerweile als die Synchronsprecherin von Marge in den „Simpsons“ gut im Geschäft. Daneben bleibt noch die Zeit, die „Klimbims“ auferstehen zu lassen und die Senffabrik ihres verstorbenen Mannes zu managen. Nicht schlecht und aller Ehren wert.

Trotzdem: Ingrid Steeger war und ist unbestritten der Star und das Herzstück der „Klimbim“-Truppe. Nicht etwa wegen ihrer darstellerischen Qualitäten oder spezifischer Inhalte. Im Duden steht über das Wort „Klimbim“, es handele sich um „überflüssige Aufregung, lautes Treiben, unnützes Beiwerk“. Das ist Klimbim, das ist Steeger. Auch wenn sie versucht hat, aus ihrer Rolle „auszubrechen“, und sich nicht ewig den Schlabberlatz umbinden lassen wollte: Sie trat im „Großen Bellheim“ auf und synchronisierte Robert Atzorns Dackel in „Glücklich geschieden“. Vergeblich!

Ihre Rolle bleibt das freche Gör mit der runden Brille und den X-Beinen, das unschuldig augenklimpernde Ding in Korsage und in Strapsen: „Ich mach’ mir einen Schlitz ins Kleid und find’ es wunderbar.“ Wie das auch immer genau funktioniert haben mag – diese Mischung aus lispelndem Fratz und unschuldiger Schlampe scheint den Geschmack der Siebziger präzise getroffen zu haben. Eigentlich könnte sie mit ihren Tieren einsam, aber zufrieden auf einem Landgut leben und dankbar sein über so viel wohlwollendes Schicksal .

Ist sie aber nicht. Aus irgendeinem Grund will sie nicht nur immer noch auf der Bühne herumtorkeln, sondern dazu auch noch in einer glücklichen Partnerschaft leben. Was Ingrid Steeger alles angestellt hat, um sich diesen Wunsch zu erfüllen, ist inzwischen Legende und verlief im Prinzip immer nach einem Muster, das sie selbst so zusammenfasst: „Viele wollten nur mein Geld oder die Öffentlichkeit und betrogen mich sogar.“ Eigentlich wieder ziemlich tragisch. Tragisch vor allem deswegen, weil ausgerechnet die damals Jüngste, Attraktivste, Umworbenste … Wussten Sie, dass Ingrid Steeger es mit Michael Holm („Mendecino“) und Udo Jürgens („Ich hatte keine Orgasmen mit Udo, musste ihm welche vormachen“) hatte? Ingrid Steeger war die Konkubine der Republik. Und heute muss sie auch noch die Reste aus dem Männerangebot zusammenklauben. Wussten Sie, dass Ingrid Steeger vor einigen Jahren über die Bild geradezu verzweifelt öffentlich nach einen Mann gesucht hat? Das Aussehen sei egal, „nur zu dick darf er nicht sein“. Hausmeister meldeten sich und Angestellte in Kernkraftwerken.

Ob daraus etwas geworden ist, ist nicht bekannt. Bekannt ist nur die Sache mit dem Schleimbeutel im Knie und dem Physiotherapeuten. Herrn Simon. Bekannt ist, dass selbst der sich inzwischen auch schon wieder vom Acker gemacht hat. Bekannt ist, dass Frau Steeger immer mal wieder depressiv war und sich ihr Lieblingsdackel (ein Tier namens Adelaide) ausgerechnet an ihrem 55. Geburtstag mit einer tödlichen Dosis Rattengift ins Jenseits beförderte.

Ob die Dackeldame das Elend um Frauchen nicht mehr mit ansehen konnte und deshalb wirklich versucht hat, sich selbst zu entleiben? Unwahrscheinlich. Dackel sind – im Gegensatz zu Ingrid Steeger – bekanntlich sehr stabile Tiere, die mit allen vier Beinen fest auf der Erde stehen.