Tatverdacht gegen Neonazis erhärtet

MORDPROZESS An der Kleidung des Hauptangeklagten fanden sich Blutspuren des fast totgetretenen Opfers. Unklar bleibt die Rolle der anderen drei Männer. Einer wurde jetzt aus der Untersuchungshaft entlassen

„Das war das Schlimmste, was ich bisher gesehen habe“

EIN ZEUGE VOR DEM LANDGERICHT

Der Verdacht gegen vier Neonazis, die Mitte Juli einen Mann fast totgetreten haben sollen, hat sich erhärtet. Eine Auswertung von DNA-Proben durch die Polizei ergab, dass Blutspuren des 22-jährigen Opfers, Jonas K., an der Kleidung von zwei der Angeklagten klebten. Dies trug der Richter während des vierten Prozesstages am Dienstag vor. Insbesondere der Hauptangeklagte Oliver K. wurde belastet, da sich bei ihm Blutspuren an den Schuhen fanden. Den vier Männern im Alter von 20 bis 26 Jahren wird versuchter Mord vorgeworfen. Mit einem sogenannten Bordsteinkick sollen sie versucht haben, ihr Opfer zu töten, um ihre Macht gegenüber den „vermeintlichen politischen Gegnern“ zu demonstrieren, so die Anklageschrift.

Zahlreiche Zeugen haben Oliver K. vor Gericht als einen der Täter erkannt. Übereinstimmend erzählten sie, dass er sein bereits bewusstloses Opfer auf den Kopf getreten habe. „Ich mache ein bisschen Kampfsport, aber das war das Schlimmste, was ich bisher gesehen habe“, sagte ein Zeuge jetzt am Dienstag vor dem Landgericht. „Es war klar, dass die Tritte was anrichten würden.“

Ein Polizist, der als Erster am Tatort war, sagte, er habe den Angeklagten von Jonas K. wegziehen müssen: „Er hätte sicher weitergemacht, wenn ich das nicht getan hätte.“ In einer Erklärung hatte Oliver K. zum Anfang des Prozesses die Tat zum Teil gestanden.

Umstritten ist, ob und wie die anderen Männer beteiligt gewesen sind. Einer der Neonazis soll in Oliver K.s unmittelbarer Nähe gestanden haben. Unklar ist, ob er auch zutrat oder versuchte, K. zurückzuhalten. Eine junge Frau, die das Geschehen vom U-Bahnhof aus beobachtet hatte, sagte, auch er habe zugetreten. Einer der zwei Männer soll zudem laut „Du Zecke wirst nicht mehr aufstehen“ gerufen haben.

Der dritte Angeklagte war an dem Abend im Gesicht verletzt worden. Auch er wurde von Zeugen erkannt. Er habe einen verwirrten Eindruck gemacht und sei hin und her gelaufen. Dennoch habe er auf Passanten aggressiv reagiert und sie teilweise bedroht. Dem Polizisten zufolge brachten mehrere Kollegen den kräftigen Mann zu Boden, weil er ihren Anweisungen nicht Folge leistete. „Er sagte auch etwas wie ‚Ich bin Boxer, ich kann auch anders‘ “, so der Polizeibeamte.

Unterdessen wurde der vierte Neonazi aus der Untersuchungshaft entlassen. Den Richtern zufolge besteht kein dringender Tatverdacht mehr gegen ihn. Zuvor hatten mehrere Zeugen ausgesagt, den Mann bei der Prügelei nicht gesehen zu haben, obwohl er eine auffällige Jacke trug. Als der Anwalt des Opfers sich überrascht zeigte, wies der Vorsitzende Richter darauf hin, dass ein Tatverdacht weiterhin bestehe: „Der ist aber nicht so gravierend, dass wir den Angeklagten weiter festhalten sollten.“

Der Prozess gegen die vier Neonazis geht am Donnerstag weiter; kommende Woche soll das Urteil fallen. L. SANDER