: Einäugigkeit
betr.: „Herausforderung Ahmadinedschad“, taz vom 16. 12. 05
Brumlik kritisiert zu Recht die Äußerungen des iranischen Präsidenten. Aber ist es weniger schlimm, ein Land als „Schurkenstaat“ oder als „das Böse“ zu bezeichnen, wie dies die amerikanische und israelische Regierung tun? Müsste man nicht auch hier diplomatische Konsequenzen fordern? Dagegen äußert Brumlik kaum verhohlene Sympathie für aggressive Politik – solange sie sich gegen islamische Länder und nicht gegen Israel richtet. Er bezeichnet den Krieg gegen Afghanistan als Weiterentwicklung des Völkerrechts. Dementsprechend habe nun auch Israel das Recht, den Iran anzugreifen. Natürlich in einem chirurgisch sauberen Schlag, der die Zivilbevölkerung schont – das kennen wir. Alle Bedenken müssen zurückstehen, wenn es gilt, Israel zu verteidigen. Der pathetische Ton („die BRD ist aufgerufen …“) soll uns daran erinnern, dass dies unsere historische Verpflichtung ist.
Wer Brumlik nicht folgt, wird zwar (noch) nicht des Antisemitismus beschuldigt, untergräbt aber Seite an Seite mit dem iranischen Präsidenten die „moralischen Grundlagen“ der BRD. Die bisher nur angedeutete Diffamierung anderer Auffassungen ist ärgerlich. Denn wer täglich die Bilder aus dem Irak im Fernsehen sieht, kann sich Brumliks Einäugigkeit nicht guten Gewissens anschließen.
PAUL TIEFENBACH, Bremen
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