Verkehrte Steuerwelt

MEHRWERTSTEUER In Berlin kritisieren SPD und Grüne den Rabatt für Hotels scharf. Im Bayerischen Landtag haben sie jahrelang dafür gekämpft – gegen den Widerstand der CSU

„Die Berliner Debatte ist schon sehr seicht“, sagt der Grüne aus dem Landtag

VON RALPH BOLLMANN

Martin Runge versteht die Berliner Debatte längst nicht mehr. Seit 1996 ist der Grünen-Politiker Abgeordneter im Bayerischen Landtag, seit Jahren schon kämpft der studierte Ökonom für eine niedrigere Mehrwertsteuer für Gastronomen und Hoteliers – stets unterstützt von der Mehrheit der eigenen Fraktion, stets an der Seite der bayerischen SPD. Und stets gegen den Widerstand der regierenden CSU, die den Wirten keinen Steuernachlass gönnen wollte.

Erst am Dienstag wiederholte sich die Szene im Landtagsausschuss für Bundes- und Europaangelegenheiten. Runge stimmte für einen Antrag der Freien Wähler, der eine Ausweitung des ermäßigten Steuersatzes auf die Gastronomie vorsah. Die CSU tat, was der Grüne von ihr gewohnt war: Sie lehnte den Vorstoß ab.

Nahezu zeitgleich zog der grüne Fraktionsgeschäftsführer Volker Beck im Bundestag über das Gesetz her, mit dem die CSU-gestützte Bundesregierung eine alte Forderung seiner bayerischen Parteifreunde wenigstens teilweise erfüllt. Die beschlossene Vergünstigung für Hotelbetriebe sei „Klientelpolitik reinsten Wassers“, wetterte Beck, nur zu erklären mit der Millionenspende eines Hotelbetreibers an die Regierungspartei FDP.

Becks bayerischer Parteifreund will sich in seiner Meinung dadurch nicht beirren lassen. „Die Debatte ist schon sehr seicht“, sagte Runge am Dienstag der taz. Die Berliner Frontstellung sei „verkehrte Welt“, gegen den ermäßigten Mehrwertsteuersatz laufe eine „Pressekampagne“. Der Grüne will die Vergünstigung auf andere arbeitsintensive Branchen ausweiten, um Selbstausbeutung in Familienbetrieben und Schwarzarbeit einzudämmen. Niedrigere Preise für die Verbraucher erhofft er sich ausdrücklich nicht.

Kleinlauter gibt sich jetzt die bayerische SPD. Noch im Januar 2006 verlangte der damalige Fraktionschef Franz Maget in einem Landtagsantrag von der CSU-Staatsregierung, „ihren Einfluss dahingehend geltend zu machen, dass der Bund für die Hotellerie den reduzierten Mehrwertsteuersatz in Höhe von 7 Prozent einführt“. Kaum haben die Christsozialen die SPD-Forderung wahrgemacht, poltert der Landesvorsitzende Florian Pronold: „Die CSU hat Subventionen ohne sachliche Begründung durchgesetzt, nur um ihre Klientel zu bedienen, zum Beispiel den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für Bergbahnen.“

Auch den Bergbahn-Beschluss hatte die bayerische SPD allerdings unterstützt, allen voran Pronold selbst. Dadurch könne „die Wettbewerbsfähigkeit, insbesondere unserer bayerischen Bergbahnen gegenüber dem unmittelbar benachbarten Österreich, gestärkt werden“, hieß es in einer Pressemitteilung der Landtagsfraktion. Am Dienstag erklärte ein Sprecher, leider habe sich die Hoffnung auf niedrigere Preise für Gäste und Benutzer nicht erfüllt. Deshalb habe die SPD ihre Meinung in der Hotelfrage leider ändern müssen.