: Eine Israelin, die alle Grenzen überschritt
Bei den letzten Wahlen hat sie Likud gewählt – und damit den israelischen Ministerpräsidenten Ariel Scharon. Der ist inzwischen aus dem Likud ausgetreten, und Tali Fahima sitzt seit 14 Monaten im Gefängnis. Gestern ist die 29-Jährige von einem Gericht in Tel Aviv zu drei Jahren Haft verurteilt worden. In einem Deal mit der Staatsanwaltschaft bekannte sie sich schuldig, Kontakt zu einem feindlichen Agenten aufgenommen zu haben, der Israel Schaden zufügen wollte. Sie bekannte sich schuldig, dem Feind Informationen übergeben und Vorschriften missachtet zu haben.
Sie glaubt nicht an ihre Schuld. Tali Fahima will aus dem Gefängnis.
Doch mit dem Selbstbild von Tali Fahima hat all das gar nichts zu tun. Sie hat als Friedensaktivistin gehandelt, wollte, wie andere Israelis auch, Grenzen überschreiten.
Ihr Verbrechen: Im palästinensischen Flüchtlingslager Dschenin hatte sie 2004 Kontakt zu Sakaria Subeidi gehalten, einem der von Israel meistgesuchten Palästinenser und Anführer der militanten Al-Aksa-Brigaden. In der Befürchtung israelischer Luftangriffe auf ihn war sie als menschliches Schutzschild in seinem Haus geblieben.
Als sie im August letzten Jahres auf Anordnung des israelischen Verteidigungsministers Schaul Mofas festgenommen wurde, wurde ihr Hochverrat und Unterstützung des Feindes in Kriegszeiten vorgeworfen, die Staatsanwaltschaft kündigte – als der Prozess nach Monaten der Einzelhaft endlich begann – sogar an, die Todesstrafe zu fordern.
Tali Fahima ist eine Grenzgängerin. Als die zweite Intifada begann, wollte die junge Frau, die sich nie politisch organisiert hatte, wissen, was Menschen dazu bringt, sich in Selbstmordanschlägen umzubringen. Allein suchte sie Kontakte, besuchte das Flüchtlingslager Dschenin, lernte Subeidi kennen und berichtete in den Medien: „Wäre ich gezwungen, unter solchen Umständen zu leben, wäre ich die Erste, die dagegen kämpfen würde.“
Anders als andere FriedensaktivistInnen in Israel hat sie nicht den politischen Hintergrund einer bürgerlichen Intellektuellen. Sie war beim Militär, hatte gewöhnliche, eher konservative Ansichten. Aber sie wollte verstehen, was auf der anderen Seite geschah.
Der Kontakt zu dem Al-Aksa-Mann mag sie verändert haben – die Haftzeit hat das sicher auch. Seit Monaten füllt ihr Fall die israelischen Zeitungen, weltweit sind Solidaritätsaufrufe für ihre Freilassung gestartet worden, zumal der Kern der Anklage gegen sie, sie habe für Subeidi ein geheimes Dokument aus dem Hebräischen übersetzt, sich schnell als Nonsens herausstellte. BERND PICKERT