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Archiv-Artikel

Kein Schauprozess

JUSTIZ Bundesgerichtshof-Präsident: NSU-Prozess nicht an Interessen der Medien ausrichten

KARLSRUHE taz | Klaus Tolksdorf, der Präsident des Bundesgerichtshofs (BGH), hat sich gegen eine Verlegung des NSU-Prozesses in eine große Halle ausgesprochen. Auch eine Videoübertragung des Verfahrens in einen zweiten Sitzungssaal hält er für bedenklich.

Tolksdorf betonte, dass bei einem Strafprozess die Wahrheitsermittlung im Zentrum stehen müsse, nicht das Interesse der Medien. Er äußerte sich beim jährlichen Presseempfang des BGH. Tolksdorfs Wort hat deshalb Gewicht, weil er dem 3. BGH-Strafsenat vorsitzt, der im Zschäpe-Prozess für die Revision zuständig wäre.

Eindeutig lehnte er den Vorschlag ab, den Münchner Prozess zu den Morden der rechten NSU-Terrorgruppe in ein anderes Gebäude zu verlegen, in dem es mehr Platz für Publikum und Journalisten gäbe. Wenn der Prozess in einer Messehalle oder in der Philharmonie stattfände, dann wäre es „nur noch ein Schauprozess“, sagte Tolksdorf, „das darf nicht sein.“

Über den Vorschlag, die Verhandlung in einen Arbeitsraum für Journalisten zu übertragen, könne man dagegen zumindest diskutieren. Allerdings warnte er vor der Annahme, dies sei rechtlich unbedenklich, zwingend sei eine Videoübertragung jedenfalls nicht. Tolksdorf widersprach damit Exverfassungsrichter Ernst-Gottfried Mahrenholz, der eine Übertragung für eine „unumgängliche richterliche Pflicht“ hielt, um eine ausreichende Öffentlichkeit zu gewährleisten. Tolksdorf gab zu bedenken, dass in Strafprozessen häufig Menschen aussagen, die den Umgang mit Kameras nicht gewohnt seien und sich dann nicht gut „entfalten“ könnten.

Gigi Deppe, die Vorsitzende der Karlsruher Justizpressekonferenz, entgegnete, dass im Münchner Gerichtssaal ohnehin Kameras eingesetzt würden. Die Aussagen würden an die Wand des Saales projiziert, damit alle Prozessbeteiligten gute Sicht hätten. „Die Kameras sind also schon da“, sagte Deppe. Die Karlsruher Justizjournalisten hatten sich kürzlich in einem offenen Brief an das Münchner Gericht für eine Videoübertragung eingesetzt. CHRISTIAN RATH