: Pinkwarts artige Professoren
Obwohl sich das Land offenbar aus der Förderung der NRW-Forschungsinstitute in Wuppertal, Essen und Gelsenkirchen zurückziehen will, flüchten sich die Institutsleiter in Zweckoptimismus
VON SEBASTIAN SEDLMAYR
Die Leiter der drei Top-Forschungsinstitute des Landes NRW akzeptieren die Sparvorgaben der schwarz-gelben Koalition. „Das Gejammere bringt nichts“, sagte der Präsident des Essener Kulturwissenschaftlichen Instituts KWI, Jörn Rüsen, der taz. „Wir müssen uns in einem Schrumpfungsprozess neu situieren.“ Auch beim Institut für Arbeit und Neue Technik (IAT) ist die Stimmung durchaus optimistisch: „Wir haben die Chance, uns ein Stück weit vom Landeshaushalt zu emanzipieren“, sagt IAT-Präsident Franz Lehner. „Wenn das Land nicht mehr selbst für die Sockelfinanzierung aufkommen kann, werden wir neue Gesellschafter finden“, so der Leiter des Wuppertal Instituts, Peter Hennicke. Die Akquise von privaten Mitteln verlaufe „weltweit sehr erfolgreich“.
Der Erfolgsdruck bei der Einwerbung von Drittmitteln wird auch in Zukunft steigen. Denn ganz so rosig, wie die Institutsleiter die Zukunft malen, sieht es für die Einrichtungen nicht aus. Das Land hat bis 2006 die Mittel der Forschungsinstitute um 30 Prozent gekürzt und will sich nach Angaben des IAT bis 2010 komplett aus der institutionellen Förderung verabschieden. Von Wissenschaftsminister Andreas Pinkwart (FDP) hieß es dazu lediglich, über 2006 hinaus sei noch keine Entscheidung getroffen worden. Aber sämtliche Indizien deuten auf ein Ende der institutionellen Förderung innerhalb der kommenden fünf Jahre hin.
Die massiven Kürzungen werden auf die einzelnen Institute unterschiedlich wirken. Während am Essener KWI nur drei feste Stellen existieren, sind am Gelsenkirchener IAT 30 von 33 Vollzeitstellen nach Angaben der Geschäftsführung praktisch unkündbar. Beim Wuppertal Institut, das als Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisiert ist, wären betriebsbedingte Kündigungen leichter durchzusetzen. Doch hier scheint die Solidarität der Mitarbeiter dem Kahlschlag vorzubeugen. Wenn sämtliche Beschäftigte auf zehn Prozent des Gehalts verzichteten, könnten die im Haushaltsentwurf für das Jahr 2006 vorgesehenen 600.000 Euro Einsparung geleistet werden, so der Institutspräsident Peter Hennicke.
Die Institute in Essen, Wuppertal und Gelsenkirchen haben nun bis März Zeit, Vorschläge für ihren Fortbestand zu erarbeiten. Mögliche Varianten reichen von der vollständigen Privatisierung bis zur Eingliederung in die Universitätslandschaft. Angebliche Pläne, die Institute langfristig in Düsseldorf zusammenzuführen, dementierte das Pinkwart-Ministerium nur halbherzig: „Dazu werden wir noch nicht öffentlich Stellung nehmen“, sagte ein Sprecher zur taz. Die Leiter der Institute in Essen, Gelsenkirchen und Wuppertal können sich eine Ansiedlung in der Landeshauptstadt nicht vorstellen: „Das halte ich für ausgeschlossen“, sagte Hennicke.
Sollte die Landesregierung die drei Forschungseinrichtungen in Düsseldorf zusammenlegen, könnte möglicherweise auch das dortige Wissenschaftszentrum als Dachorganisation noch gerettet werden. Bislang sieht es allerdings eher so aus, als müsste sie als Erste schließen. „Unter den jetzigen Bedingungen ist die Konstruktion dysfunktional“, sagt der Präsident des Kulturwissenschaftlichen Instituts Essen (KWI), Jörn Rüsen. Ähnlich äußerte sich auch IAT-Leiter Lehner.
Die SPD-Fraktionsvorsitzende Hannelore Kraft hatte bereits am Donnerstag die Befürchtung geäußert, die „Aushängeschilder der NRW-Wissenschaft“ könnten in ihrer Existenz bedroht sein. Rüsen lobte gegenüber der taz, es sei „edel von Frau Kraft, dass sie uns warnt“. Aber der KWI-Leiter fügte hinzu: „Die apokalyptische Vision ist Frau Kraft selbst geschuldet.“ Schließlich sei sie es gewesen, die als Wissenschaftsministerin 2003 den Beschluss gefasst habe, die institutionelle Förderung um 30 Prozent zu kürzen. Deshalb sei die Kritik der SPD-Politikerin „in der Sache richtig, aber politisch fast schon komisch“.