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Archiv-Artikel

Krieg um Schulfrieden

PRIMARSCHULE Einigungschance gering: Reformgegner nur zu Schulversuch bereit. Neues Bündnis „Chancen für alle“ will für die Reform werben

„Es gibt Unterstützer in großer Zahl. Das Thema tragen Bürger mit Bürgern aus“

Jobst Fiedler

Heute um 15.30 Uhr werden im Rathaus die Verhandlungen zwischen der Volksinitiative „Wir wollen lernen“ und der schwarz-grünen Regierung fortgesetzt. Die Positionen liegen weit auseinander. Die Koalition steht fest zu ihrer Absicht, dass die Primarschule vor der nächsten Wahl 2012 flächendeckend eingeführt wird. Die Reformgegner möchten das um mindestens sechs Jahre verzögern.

Initiativensprecher Walter Scheuerl veröffentlichte gestern ein Angebot an den Senat: Demnach sollen 25 Primarschulen im Jahr 2010 und 25 weitere im Jahr 2011 starten dürfen, wenn dort die Eltern befragt wurden. Eine flächendeckende Einführung dürfe es aber erst geben, wenn die erste Klasse alle sechs Jahre durchlaufen hat und eine Evaluation dafür spricht.

Beim Elternwahlrecht will die Scheuerl-Initiative diese Versuchsschulen schlechter stellen. So sollen die Eltern von normalen Grundschülern wie gehabt nach Klasse vier wählen dürfen, bei Primarschülern dagegen solle „die Schulkonferenz“ über die weitere Schullaufbahn entscheiden. Eltern müssten vor ihrer Anmeldung „über diese verbindlichen Folgen ihrer Anmeldungs-Entscheidung informiert werden“, heißt es in dem Papier. Ein vorzeitiger Wechsel von Primarschulkindern aufs Gymnasium sei „nicht vorgesehen“.

CDU und GAL dagegen wollen inzwischen das Elternwahlrecht für alle nach Klasse 6 anbieten. Dies soll auch dann per Gesetz eingeführt werden, wenn es zum Volksentscheid kommt. Außerdem bieten die Koalitionspartner an, die Primarschule in drei Tranchen einzuführen. Die erste freiwillig 2010, die zweite verbindlich 2011 und die dritte für alle restlichen Schulen ab 2012.

Unterdessen hat sich der Verein „Chancen für alle“ konstituiert, der im Fall eines Volksentscheids eine Kampagne für die Reform betreiben will. Den Vorsitz führen der frühere Harburger Bezirkschef Jobst Fiedler (SPD), der ehemalige Schulleiter des Gymnasiums Hamm, Wolfgang Dittmar, und Elternvertreterin Constanze Petersen. „Es gibt Unterstützer der Schulreform in großer Zahl“, erklärte Fiedler, das erfahre er gerade vor allem übers Internet. Es stimme nicht, dass hier Bürger mit dem Senat stritten: „Das ist ein Thema, das Bürger mit Bürgern austragen.“

Als Schulpraktiker könne er berichten, dass viele Eltern die Trennung nach Klasse 4 für zu früh halten, ergänzte Dittmar. Kombiniert mit dem Elternwahlrecht rechne er mit einer Mehrheit für die Primarschule. Vor allem im Blick auf die Demografie sei es wichtig, alle Talente zu fördern, sagte Fiedler: „Bis 2025 werden wir 25 Prozent weniger 16 bis 18-Jährige haben.“

Details der Kampagne will man erst erarbeiten, wenn feststeht, ob es einen Volksentscheid gibt. Auf die Frage, ob der Verein mit Finanzen ausgestattet ist, sagte Fiedler: „Wir haben erhebliche Unterstützung in bürgerlichen Familien.“ KAIJA KUTTER