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Archiv-Artikel

Die kommenden Kultur-Knüller

Wenige Tage noch, dann ist das Jahr 2005 Geschichte. Höchste Zeit also, in die Zukunft zu sehen. Was erwartet uns in Nordrhein-Westfalen im Kulturjahr 2006? Was ist neu? Die taz hat einige der Hotspots an Rhein und Ruhr für Sie ausgewählt

Pläne machen und Vorsätze fassen, hat Nietzsche gesagt, bringe viele gute Empfindungen mit sich. Die Woche vor Silvester ist also tendenziell Wohlfühlwoche, abgesehen vom Weihnachtsbraten, der noch im Magen klumpt. Und wenn die Vornehmer dann am zweiten Tag des neuen Jahres wieder damit beginnen, womit sie am ersten Tag geplanterweise aufgehört hatten, fängt die ganze Show von vorne an. Nehmen wir uns also nichts vor – schauen wir lieber auf das NRW-Kulturjahr 2006. Die taz hat schon jetzt einige Highlights für Sie zusammengestellt.

Kulturhauptstadt 2010

Da kann passieren, was will – in Essen dreht sich im nächsten Jahr alles um die Bewerbung zur Kulturhauptstadt Europas 2010. Denn die Entscheidung naht. Im Frühjahr bereist abermals eine Jury das Land, dieses Mal entsandt von der Europäischen Union. Das finale Urteil soll dann im Sommer fallen. Das Ruhrgebiet, mit Essen als obligatorischem pars pro toto, konkurriert nur noch mit Görlitz. Aber was heißt „nur“? Die östlichste Stadt Deutschlands protzt ordentlich mit ihrer Nähe zu Polen. Da wirbt sogar der polnische Nachbarbürgermeister mit. Dennoch: Die Chancen für das Revier stehen gut. Oder anders: Es wäre eine herbe Niederlage für den Pott, der auf 4.435 Quadratkilometern Fläche mehr als fünf Millionen Menschen und eine wahnsinnige Fülle kultureller Angebote vereint, gegen Görlitz (67 Quadratkilometer, 60.000 Einwohner) zu verlieren. Und die Jury wäre nach solch einem Urteil durchaus in Erklärungsnot.

Entscheidung bis Sommer 2006, kulturhauptstadt-europas.de

Ruhrtriennale goes Barock

Die Ruhrtriennale geht 2006 in das zweite Jahr unter der Leitung von Jürgen Flimm. Nachdem sich die erste Flimm-Zeit mit der Romantik beschäftigt hat, steht zwischen August und Oktober kommenden Jahres das Barock auf dem Spielplan. Händel, Bach, Rubens, Tizian – eine üppige Epoche, die so gar nicht passen will zu dem im Verhältnis eher karg erscheinenden Hauptspielort der Triennale, der mit Glas und Stahl aufgehübschten Bochumer Jahrhunderthalle. Einerlei. Schließlich ist der Berliner Regisseur Frank Castorf wieder mit von der Partie. Der wird das Barock schon ins Jetzt katapultieren. Irgendwie.

August bis Oktober 2006, Ruhrgebiet, verschiedene Spielorte, ruhrtriennale.de

Guggenheim und Biennale

In der alten Bundeshauptstadt stechen spontan zwei Highlights ins Auge: die Guggenheim-Ausstellung in der Kunst- und Ausstellungshalle und die Bonner Biennale, die sich 2006 an Indien abarbeitet. Die New Yorker Guggenheim-Foundation, gegründet 1937, verfrachtet rund 250 Werke nach Bonn, wo sie auf etwa 6.000 Quadratmetern dargeboten werden – nach eigenen Angaben eine der größten Ausstellungen, die je in Bonn verwirklicht wurden. Neben Klassikern von Kandinsky, Klee oder Picasso hält Guggenheim auch Werke von Nam June Paik oder Jeff Koons in seinem Bestand. Diese werden im ersten Teil der Schau gezeigt; im zweiten steht dann alles im Zeichen der Museums-Architektur, erzählt anhand von Plänen und Modellen.

Die Biennale bringt an neun Tagen im Mai die Kultur Indiens an den Rhein. Also die Filme aus Bollywood zum Beispiel, der zum Kitsch tendierenden Filmfabrik Indiens. Darüber hinaus verbinden Intendant Klaus Weise und sein Team Theater in verschiedenen Sprachen (von Hindi bis Englisch) mit Tempelgesang und DJ-Kultur, Literatur und Tanz.

Biennale, 13. bis 21. Mai 2006, Bonn, verschiedene Spielorte biennale-bonn.de

Guggenheim, 21. Juli bis 12. November, Bonn, Kunst- und Ausstellungshalle, kah-bonn.de

Die erste Quadriennale

Düsseldorf macht im kommenden Jahr seinem Namen als Kunststadt alle Ehre. Mit der Quadriennale wird 2006 ein „Fest der Kunst“ (Eigenwerbung) aus der Taufe gehoben, das sich als Projektionsfläche und zentrales Thema den „Körper“ ausgesucht hat. Die Werke namhafter Künstler werden in den 16 Düsseldorfer Museen und Ausstellungshallen präsentiert, zum Beispiel Arbeiten von Francis Bacon oder Bruce Nauman. Aber auch die Gesichter der Stadt sind vertreten: Professoren wie Markus Lüpertz oder Jörg Immendorff von der Kunstakademie gestalten einen „Pavillon der Bildhauerei“ – Auftakt für das Kunstspektakel ist im März. Und noch eine Neuerung steht an: Erstmals wird der mit 55.000 Euro dotierte „Kunstpreis der Landeshauptstadt Düsseldorf“ vergeben.

März bis Oktober 2006, Düsseldorf, verschiedene Orte quadriennale-duesseldorf.de

Schumann versus Mozart

Schumann-Jahr? Mozart-Jahr? Na, was denn nun? Naja: beides eben. Robert Schumann sieht die Erdoberfläche 2006 seit genau 150 Jahren von ihrer Rückseite. Und der geniale Wicht namens Mozart würde am 27. Januar seinen 250. Geburtstag feiern, wäre er nicht schon eine ganze Weile bleich. Jedenfalls werden beide Komponisten im Kulturjahr 2006 gleichermaßen gefeiert. Wobei Schumann mit NRW näher verbunden ist als der Österreicher. Im Jahr 1850 war Schumann in Düsseldorf Städtischer Musikdirektor, später Insasse in einer Nervenheilanstalt in Endenich. Ab Anfang Mai feiert die Landeshauptstadt den Komponisten mit ihrem traditionellen Schumann-Fest. Und Mozart? Der steht freilich auch auf den Spielplänen diverser Orchester, etwa der Kölner Philharmonie. Man wird also von ihm hören.

5. bis 20. Mai 2006, Düsseldorf, verschiedene Spielorte, schumannfest-duesseldorf.de

Ruhrfestspiele zum 60.

In seiner ersten Spielzeit als Intendant der Recklinghäuser Ruhrfestspiele hat Frank Hoffmann erwartungsgemäß das Defizit seines Vorgängers wettgemacht. Nachdem Frank Castorf nach nur einem Jahr gefeuert worden war, weil die Besucher nicht mehr kamen, hat Hoffmann mit einem konservativen Programm die Leute wieder zurück geholt. Im nächsten Jahr feiern die Ruhrfestspiele ihren 60. Geburtstag. Eine Kabarettfestival, Uraufführungen, Musiktheater für Kinder – mal sehen, was das Festival im Jubiläumsjahr noch zu bieten hat. Das endgültige Programm wird Mitte Januar veröffentlicht.

1. Mai bis 11. Juni, Recklinghausen, Ruhrfestspielhaus, ruhrfestspiele.de

BORIS R. ROSENKRANZ