: Lernen, wie man hilft
Nach dem Tsunami starteten auch in Berlin Hilfsaktionen. Dabei trafen sie auf unerwartete Probleme, mitunter konkurrierten Hilfswillige sogar um Projekte. Trotzdem wurde viel erreicht
VON GIUSEPPE PITRONACI
Dass es einen Konkurrenzkampf ums Helfen geben kann, mussten Neuköllner und Neuköllnerinnen erfahren: Dort wurde in Schulen, Einkaufszentren und an anderen Orten Geld gesammelt, das Kindern in Sri Lanka nach dem Tsunami zugute kommen sollte. Man hatte auch schon eine zerstörte Schule gefunden, die wieder aufgebaut werden sollte. „Aber dann kam raus, dass diese Schule an die Japaner gegangen war“, sagt Cordula Klein. Die SPD-Frau ist Abgeordnete im Bezirk Neukölln und mit einem Sri-Lanker verheiratet. Sie engagierte sich für ein Neuköllner Fluthilfe-Projekt; es sollte unbedingt eines sein, „wo sich die Kinder wiederfinden“.
Klein ist nicht gut auf die Politik in Sri Lanka zu sprechen: „Die Regierung erhob Steuern auf Spenden. Und das Problem mit der Korruption ist sehr groß.“ Mit Hilfe der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) entschieden sich die Neuköllner schließlich, mit ihren Spenden den Bau einer Siedlung für 13 Familien zu finanzieren (siehe Interview).
Andere Geldsammler ließen ganz ab von Sri Lanka: „Dort waren extrem viele Hilfsorganisationen tätig. Es wurde immer unübersichtlicher“, sagt Lutz Fritsche, stellvertretender ärztlicher Direktor der Charité. In seinem Krankenhaus kamen 65.000 Euro zusammen, die nach Sri Lanka sollten. Wie Neukölln, so suchte sich auch die Charité einen professionellen Partner, der sich mit Hilfe zur Selbsthilfe auskennt, und fand „Ärzte für die Dritte Welt“. Deren Gründer und Leiter, Jesuitenpater Bernhard Ehlen, versprach, dass von den Spenden nichts für Verwaltungszwecke benutzt werde. Am Ende aber klappte auch dieses Projekt in Sri Lanka nicht. Wie Klein ist Fritsche nicht gut auf die Behörden dort zu sprechen : „Sie wurden relativ unfreundlich und fingen an, die Organisationen zu behindern.“
Nun entsteht mit dem Charité-Geld eine Krankenstation in Südindien, wo der Tsunami ebenfalls wütete. „Ärzte für die Dritte Welt“ betreut das Projekt und arbeitet eng mit einer indischen Hilfsorganisation zusammen. Ende des Sommers soll die Krankenstation fertig sein. Charité-Mitarbeiter werden dann nach Indien fliegen, „um zu schauen, woran es noch mangelt“, sagt Fritsche. Vielleicht startet die Charité danach eine weitere, dieses Mal gezielte Spendenaktion, damit von Anfang an klar ist, wohin das Geld fließt.
Dennoch verfehlten die Charité-Spenden ihren Zweck nicht. Die Krankenstation, die damit gebaut wird, dient der ärztlichen Grundversorgung für mehrere Dörfer. Das Geld reichte aus, um auch Fahrräder, einen Jeep sowie Material zur Gesundheitsaufklärung für die Station zu kaufen.
Auf eigene Faust ging Daniel Alagiyawanna in das Katastrophengebiet. Der Berliner Heilpraktiker wurde in Sri Lanka geboren und reiste schon vor dem Tsunami regelmäßig dorthin. „In touristischen Orten traf viel Hilfe ein. Den Hotels lag am Wiederaufbau der Infrastruktur. Und die großen Hotelketten haben finanzielle Möglichkeiten, Schäden zu beheben“, sagt Alagiyawanna. So profitierten Bewohnerinnen rund um Touristenanlagen vom Wiederaufbau, denn Gäste sollten keine zerstörten Häuser vor Augen haben. Wenige Kilometer weiter aber kam oft keine Hilfe an, berichtet er.
Alagiyawanna findet es gut, wenn Leute zum Urlaub nach Sri Lanka fliegen. Sie sollten jedoch möglichst in kleine Pensionen gehen und Familienbetriebe unterstützen. Dadurch werde die Selbsthilfe und Arbeitskraft der Sri-Lanker gestärkt. Er kaufte bei seinem letzten Aufenthalt viele Gegenstände in Sri Lanka: Schulhefte, Töpfe, Pfannen, lauter Dinge, die den Leuten, die er persönlich kannte, fehlten. An sie gab er die Sachen weiter.
In der medizinischen Versorgung half Alagiyawanna ebenfalls mit. „Es gab kleine Zelte mit Notstationen, verstreut an der Küste. Denn viele Verletzte wollten ihr zerstörtes Haus nicht verlassen, um ins Krankenhaus zu gehen, in der Hoffnung, dass die Vermissten dorthin zurückkehren“, berichtet er.
Er findet, dass die Hilfe langfristig und überlegt sein sollte. „Sri Lanka hat zum Beispiel eine Textilindustrie. Kleidung sollte man also nicht importieren, sondern vor Ort kaufen.“ Und beim Charité-Projekt in Indien mahnt er an, dass sich der Staat langfristig am Betrieb beteiligen müsse, damit die Krankenstation nicht auf Dauer von Spenden abhängt und möglicherweise den Betrieb einstellt, wenn die Quellen versiegen.