: Marktwirtschaft für Kitas
Mit der „Kita-Card“ können Eltern ab 1. Januar die Betreuung ihrer Kinder leichter wählen. Die Kitas der Bezirke müssen nun ihr Angebot der Nachfrage anpassen. Sie fürchten um ihre Einnahmen
VON ALKE WIERTH
Ein Brief mit freundlichen Grüßen von ihrem Bildungssenator Klaus Böger flattert in diesen Tagen vielen Berliner Eltern ins Haus. Das liegt daran, dass sich ab dem 1. Januar für Berliner Kinder – und ihre Eltern – mal wieder einiges ändert. Zum einen starten die fünf Eigenbetriebe, in die die bezirklichen Kitas überführt werden, die nicht von freien Trägern übernommen wurden. Zum anderen wird aber auch die viel beschworene und lang erwartete Kita-Card endlich Realität.
Die ist auf den ersten Blick allerdings enttäuschend: Die flott „Card“ genannte Innovation ist keineswegs ein praktisches Plastikscheibchen mit flexibel einsetzbarem Magnetstreifen. Sie ist in Wirklichkeit ein mehrseitiges Schreiben, verfasst im üblichen paragrafengesättigten Amtsdeutsch und versehen mit mehreren Anlagen, dreizehnstelliger Identifizierungsnummer, Rechtsbehelfsbelehrung und Kostenbeteiligungsfestsetzung.
Vom äußeren Erscheinungsbild her also eher langweilig, das gibt auch der Sprecher des Bildungssenators, Jens Stiller, zu. Er spricht deshalb lieber bescheiden von „Kita-Gutschein“. Der soll trotz seines unspektakulären Äußeren aber ganz innovativ wirken: Indem Eltern die Kita für ihre Kinder nun berlinweit frei auswählen und auch erheblich leichter als früher zwischen Kitas wechseln könnten, soll der Wettbewerb zwischen den einzelnen vorschulischen Bildungseinrichtungen verstärkt werden, so hofft der Senat.
Und dass die Kindertagesstätten sich zukünftig tatsächlich als Bildungseinrichtungen betrachten, will er noch dadurch verstärken, dass er mit den Kitas der freien Träger ebenso wie mit denen der Eigenbetriebe Rahmenvereinbarungen abschließt, in denen diese auf die Ideen aus dem Kitabildungsprogramm verpflichtet werden.
„Kein Kind wird schlechter betreut werden“, verspricht die Bildungsverwaltung den Eltern. Gespart werden soll mit dem neuen Modell aber trotzdem: ganze 40 Millionen Euro. Denn auch die ehemals bezirklichen Kitas werden zukünftig nach tatsächlich belegten Plätzen und nicht mehr nach Kapazität bezuschusst werden. So wurde es bisher bereits bei den freien Trägern gehalten. Und die hatten trotz dieser letztlich knapperen Finanzausstattung bei den Eltern dennoch oft einen besseren Ruf als Bezirkskitas.
Von den ehemals bezirklichen Kitas und den neuen Eigenbetrieben erfordert das neue Finanzierungsmodell zunächst erheblich größere Flexibilität. Statt eine vom Senat finanziell abgesicherte feste Zahl von Plätzen anzubieten, müssen sie künftig ihr Personal und sonstige Angebote wie Essen und andere nichtpädagogische Leistungen flexibel dem tatsächlichen Bedarf, also der vorhandenen Kinderzahl, anpassen.
Die freien Träger kennen diese Situation schon lange. „Vor den Sommerferien werden manchmal an die 20 Kinder abgemeldet“, erzählt Gerda Wünschel, Geschäftsführerin des freien Kita-Trägers INA. Natürlich könne man in solchen Situationen überzähliges Personal nicht plötzlich entlassen. Über flexible Arbeitszeitmodelle wie Zeitkonten oder Ähnliches versuchen die freien Träger Personalbedarf und Belegung einander anzupassen.
Für die neuen Eigenbetriebe liegt genau darin ein Risikofaktor. Wie viele Plätze, wie viel Personal sie zukünftig finanzieren können, hängt auch davon ab, wie viele Eltern sich für Eigenbetrieb-Kitas entscheiden werden. Dass sie mit der vom Senat vorgesehenen Finanzierung nicht auskommen werden, haben die Jugendstadträte der Bezirke, die die Eigenbetriebe planen, bereits vermeldet. Auf rund 1,5 Millionen Euro pro Eigenbetrieb werden die kommenden Defizite geschätzt – vor allem aufgrund hoher Personalkosten. Ob dies der Finanzsenator noch ausgleicht, darüber wird derzeit noch verhandelt.