Von der Leyen will keine Kinderchecks

Die CDU-Familienministerin ist gegen ärztliche Zwangsuntersuchungen für Kinder. Die CDU-Regierung im Saarland indessen plant eine Bundesratsinitiative für die Vorsorgepflicht, um Vernachlässigung oder Misshandlung aufzudecken

HAMBURG/BERLIN afp/taz ■ Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist gegen Pflichtuntersuchungen für Kleinkinder beim Arzt. Diese waren unter anderem im Hamburger Senat diskutiert worden, um mögliche Vernachlässigungen oder Misshandlungen aufzudecken. Das Saarland will nun eine Bundesratsinitiative für eine bundesweite Arztpflicht starten. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte ist dafür.

Von der Leyen setze eher auf Hilfe, die zu den Familien komme, sagte die Sprecherin des Familienministeriums in Berlin der Nachrichtenagentur AFP. Sie halte nichts davon, wenn Familien zum Arztbesuch „gezwungen“ würden. Der taz gegenüber präzisierte Sprecherin Iris Bethke, die Ministerin wolle eher Strukturen vernetzen, die bereits vorhanden sind: „Wenn Hebammen etwa merken, dass eine Schwangere weiterhin raucht oder dass es Probleme in der Familie gibt, dann könnte das ein Alarmhinweis sein“, so Bethke. Im Koalitionsvertrag ist festgehalten, dass in den nächsten fünf Jahren 10 Millionen Euro für benachteiligte Kinder zur Verfügung stehen. In Zusammenarbeit mit den Kommunen soll ein „Kompetenznetz“ von Hebammen, Gynäkologen, Kinderärzten und Jugendämtern aufgebaut werden. Besonders für sozial benachteiligte Familien soll damit eine Art Frühwarnsystem entstehen, sodass schon vor der Geburt gezielte Familienhilfe einsetzen kann. Ein solches Netzwerk könnte erstmals im April 2006 in Niedersachsen gestartet werden.

Die saarländische CDU-Landesregierung dagegen will regelmäßige Pflichtuntersuchungen für alle Kinder einführen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf will das Saarland in den Bundesrat einbringen. „Wir wollen die Vorsorgeuntersuchungen U1 bis U10 zur Pflicht machen“, sagte Gesundheitsminister Josef Hecken (CDU) der Bild am Sonntag. Geplant sei, bis Anfang März dazu einen Gesetzentwurf in den Bundesrat einzubringen.

Nach Schätzungen des UN-Kinderhilfswerks Unicef sterben in Deutschland in jeder Woche zwei Kinder durch Misshandlung oder Vernachlässigung. Rund 200.000 Kinder lebten in verwahrlostem Zustand oder müssten täglich Misshandlungen über sich ergehen lassen. „Sechs Prozent aller Kinder in Deutschland leben in Risikofamilien“, sagte Wolfram Hartmann, Präsident des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte. Er fordert eine Koppelung der Untersuchungen an die Zahlung des Kindergeldes. OES