portrait
: Stählerne Lady mit schwarzem Gürtel

Dalia Grybauskaité geht mit gemischten Gefühlen in das neue Jahr. Mit dem Ergebnis der EU-Budgetverhandlungen ist sie nicht zufrieden, „denn ideal für Europa ist das nicht“. Und die Art, wie der Kompromiss ausgehandelt worden sei, habe Narben in den europäischen Beziehungen hinterlassen. Mit „kleinen Geschenken Mitgliedsländer kaufen“ – das sei nicht die Art, wie man miteinander umgehen sollte.

Die Vertreterin Litauens in der EU-Kommission liebt klare Worte und ist fachlich kompetent. Ausgerechnet sie zu seiner Budgetkommissarin gemacht zu haben, darf als ein Glücksgriff Manuel Barrosos gelten. Die vielsprachige – Litauisch, Englisch, Russisch, Polnisch – promovierte Volkswirtin studierte im damaligen Leningrad, Moskau und Washington. Seit der Unabhängigkeit Litauens machte die ledige und parteilose Grybauskaité rasch Karriere und stieg von einer einfachen Beamtin zur Diplomatin und Ministerin auf.

Sie führte für ihr Land die Verhandlungen mit der Weltbank, dem Internationalen Währungsfonds und die EU-Beitrittsverhandlungen. Angesichts ihrer Detailkenntnisse und ihrer harten, aber umgänglichen Verhandlungsführung verschaffte sich Grybauskaitéschnell Ansehen. Während viele andere KandidatInnen aus Barrosos Mannschaft bei den Anhörungen vor dem EU-Parlament ein eher peinliches Bild abgaben, fand die glänzend vorbereitete Litauerin auf Anhieb ungeteilte Zustimmung.

„Strenge Haushaltsdisziplin, Privatisierungen und eine Steuerreform“ umschreibt die 49-Jährige ihr Rezept, mit dem sie als Finanzministerin Litauens ihr Land aus einer tiefen ökonomischen Krise und zu einem Haushaltsüberschuss führte. Die sozialen Gräben, die eine solche Politik niedriger Löhne und eines aufgrund niedriger Unternehmenssteuern schwachbrüstigen Sozialbudgets aufgerissen hat, hält sie für ein Übergangsproblem. Dieses müsse man in Kauf nehmen.

Angesichts dessen sei aber gleichzeitig jeder Euro aus Brüssel um so bedeutsamer – nicht nur für ihr Land, sondern für alle osteuropäischen Neulinge.

Damit die EU eine stabilere Finanzbasis zur Erfüllung ihrer Zukunftsaufgaben bekommt, ist Dalia Grybauskaité Befürworterin einer EU-Steuer. Bei solchen Visionen lässt sie sich auch nicht von der Schwerfälligkeit der EU-Maschinerie entmutigen. An deren Grenzen war sie gestoßen, als sie im Frühjahr vorgeschlagen hatte, den EU-Haushaltsplan aus Kosten- und Zeitgründen nur noch in einer statt in elf Sprachen zu drucken. Damit erntete Grybauskaité viel Kritik. Künftig wird der Wälzer in allen 20 EU-Sprachen produziert.

REINHARD WOLFF