: Des Freiherrn Wunderhorn
Gute Vorsätze: Die taz-nord-Serie zum neuen Jahr (3). Heute: Die geheimen Wünsche des Hamburger Bürgermeisters Carl-Friedrich Arp von Beust, den sie Ole nennen, für das Jahr, das da kommet
Von Sven-Michael Veit
Irgendwann erwischt es jeden, in einem gewissen Alter, in einer gewissen Jahreszeit zumal. So auch ihn, der er zu Weihnachten einen Tannenbaum aufgestellt hat in seiner geräumigen Altbaueigentumswohnung in Alsternähe, seinen allerersten überhaupt. Und wie er da so saß und die Lichtlein blinkten, wandelte Melancholie ihn an. 50 Jahre bin ich jetzt schon, dachte er mit leiser Wehmut. Seit über vier Jahren bin ich Ministerpräsident, resümierte er zufrieden, und ohne diesen Schill und seine Kanaillen nun auch schon, wollte er just frohlocken, fast zwei Jahre ganz allein – doch da stockte Carl-Friedrich Arp Freiherr von Beust, den sie Ole nennen.
Nur noch zwei Monate, fiel ihm ein, dann ist schon wieder Halbzeit. Da erwarten die Leute bestimmt was von mir. Und fragen nach der nächsten Wahl. Und wie ich meine absolute Mehrheit verteidigen will im Februar 2008. Tja, wie? Doch nach kurzem Sinnen schon fiel ihm die Lösung ein. Ich muss Gutes tun, dachte er, an meiner Stadt, an meinem Volk, an meiner Partei. Und so wurde ihm frohgemut ums Herz, und er begann, die Wohltaten niederzuschreiben, die aus seinem Wunderhorn zu schütten er sich vornahm. Und so steht geschrieben:
Ich muss kinder- und familienfreundlich werden. Das habe ich ja vor zehn Monaten schon versprochen, jetzt muss ich das auch mal tun. Kitas, Vorschulen, Schwimmunterricht: alles schon gebührenpflichtig, die Hochschulen bald auch – da muss jetzt vielleicht mal Schluss sein. Ich werde mal ordentlich auf den Tisch hauen, in der Bild am besten. Ein Machtwort, genau, das kommt immer gut.
Ich muss die Bahn nach Hamburg holen. Das muss klappen, sonst steh ich dumm da. Ich bekomme die 1.000 Arbeitsplätze aus Berlin, der Mehdorn bekommt den halben Hafen, die halbe Hochbahn und den ganzen Tower am Bahnhof. 30 Stockwerke, da hat er einen schönen Blick auf die Hafencity. Den muss ich als Leuchtturmprojekt verkaufen, im Abendblatt, die stehen auf so was. Und wenn die Angela mir böse ist? Ach, die ist doch ‘ne Hamburger Deern, da muss ich sie dann mal dran erinnern.
Überhaupt muss mehr Schwung rein in die Hafencity. Das läuft mir zu betulich, das muss modern und avantgardistisch werden. Ich werde mich da mehr einmischen, auch wenn ich von Architektur keine Ahnung habe. Aber ich bin Bürgermeister, und Glas finde ich toll, das ist so ein schöner warmer Baustoff. Aber keine Hochhäuser, wegen der Skyline vom Michel und diesen ganzen ollen Kirchtürmen, die müssen sichtbar bleiben. Dafür sorge ich. Das ist so was von hanseatisch, das muss ich der Welt erzählen, die lieben so‘n Getüdel. Nur der Tower von Mehdorn, der kriegt alles von mir.
Ich muss mich mehr um die Grünen kümmern. Ist ja nicht gesagt, dass ich der „Bürgermeister der Herzen“ bleibe, so was kann ja schnell gehen. Und nachher muss ich eine Große Koalition mit den Roten machen, wie die Angela, oder ich habe sogar diese Schwätzer von der FDP am Hals wie 2001 schon, Gott bewahre. Dann lieber die Grünen hier in Hamburg, die sind großstädtisch und modern und innovativ. Schwarz-Grün, genau, das klingt gut, das klingt irgendwie zukunftsfähig. Schönes Wort übrigens, sollte ich viel häufiger benutzen. Muss dem Focus mal wieder ein Interview geben.
Also sinnierte der Bürgermeister unter seinem allerersten Tannenbaum und dachte so für sich, ganz einfach wird das aber trotzdem nicht. Es sei denn ... und da kam die Erleuchtung über ihn. Genau, und dieses Mal frohlockte er tatsächlich, das ist die Lösung. Und so steht geschrieben auch dieses:
Afghanen zu mir. Die bürger ich einfach ein, alle 15.000. So als Gnadenakt, da kann ich einen auf menschlich machen. Das freut auch die Grünen, und die taz nennt mich dann nicht mehr „Bürgermeister der Schmerzen“. Und dann lass ich die ganzen Afghanen in die CDU eintreten. Von 10.000 auf 25.000 Mitglieder, da kriegt auch der Schatzmeister feuchte Augen. Und der Etat für den Wahlkampf ist dann auch geritzt.
Freiherr von Beust, den sie Ole nennen, ließ den Stift sinken. Ja, dachte er, so geht das. Ich werde Gutes tun, und ich werde Bürgermeister bleiben.
Und an seinem allerersten Tannenbaum die Lichtlein blinkten.