: „Das Instrument ist gruselig“
Rund 4.000 Ein-Euro-Jobs gibt es derzeit in Bremen, 5.000 sollen es werden, so wollen es Bagis und Arbeitsressort. Betroffene können dem Instrument nichts Gutes abgewinnen, auch wenn Bremen nach eigenen Angaben das Beste draus macht
Bremen taz ■ Der Ton hat sich geändert. Das hat Thomas Meier deutlich registriert. Seit Januar und Hartz IV ist für ihn nicht mehr das Arbeitsamt, sondern die dafür gegründete Bremer Arbeitsgemeinschaft für Integration und Soziales (Bagis) zuständig. Zwar blieb die Sachbearbeiterin dieselbe – aber der Ton wurde schärfer. „Das war für mich absolut neu“, sagt der Langzeitarbeitslose, „das hat mich so erschrocken.“ Thomas Meier, der anders heißt als hier, macht den Eindruck, als sei er nicht leicht zu erschrecken. Er ist über 50, freundlich, souverän, er kennt seine Fähigkeiten – und er kann unterscheiden zwischen sich und den Umständen, die ihn keine Arbeit mehr finden lassen. Aber mit Hartz IV hat es ihn eingeholt, der neue Ton hat ins Schwarze getroffen – in Meiers Selbstbewusstsein. „Da dachte ich, damit komme ich nicht mehr alleine zurecht.“ Er ging zur Solidarischen Hilfe. Jetzt trifft er sich regelmäßig mit anderen Betroffenen in der Beratungsstelle gegenüber vom Arbeitsamt.
Thomas Meier hat jetzt einen Ein-Euro-Job und keine Illusionen mehr: „Eine Perspektive für den ersten Arbeitsmarkt wird sich nicht ergeben.“ Er hat sich den Job nicht ausgesucht, „er wurde mir zugewiesen“, und das Gute im Schlechten ist für Meier, dass ihm der Bereich – Grafikdesign – zusagt und dass das Betriebsklima stimmt.
Rund 4.000 Ein-Euro-Jobs gibt es derzeit in Bremen – mit Abstand die zahlenmäßig größte Beschäftigungsmaßnahme. ABM oder andere Instrumente gibt es derzeit nur in geringer Zahl. 73 Millionen Euro hatte die Bagis in diesem Jahr für all das zur Verfügung, 40 Millionen gingen unverbraucht zurück nach Nürnberg, weil die Bagis, ein Zusammenschluss aus Arbeits- und Sozialamt, ihre Arbeit erst organisieren musste (taz berichtete).
Was nicht nur die Solidarische Hilfe heftig kritisiert: dass so ein Job kein Arbeitsverhältnis ist, dass das Kriterium der Zusätzlichkeit oft nur über das Fehlen von Geld definiert ist – und dass mit diesen Jobs ein Niedriglohnsektor entstehe, der reguläre Arbeitsplätze koste.
Natürlich, sagen die BeraterInnen der Solidarischen Hilfe, seien viele froh, wieder irgendeine Tätigkeit zu haben, und sei es ein Ein-Euro-Job. Aber dass die Behörden, die die Arbeitsmarktpolitik umsetzen, diese Not vieler Einzelner als Rechtfertigung für ihr Tun missbrauchten, „das ist eine Sauerei“, so eine Beraterin.
Aus der Sicht der kritisierten Behörden stellt sich die Situation naturgemäß anders dar. „Die Injobs überwiegen, weil sie in diesem Jahr das einzige Instrument waren, das funktioniert hat“, sagt Katja Barloschky, Geschäftsführerin der Bremer Arbeit GmbH (bag), die das Angebot an Ein-Euro-Jobs kontrolliert. Wäre es nach der bag gegangen, würde es nur 3.500 Ein-Euro-Jobs geben – tatsächlich aber wird ihre Zahl im kommenden Jahr nochmal erhöht: auf 5.000. Dass die Ein-Euro-Jobs in der Theorie nur die letzte aller auszuschöpfenden Beschäftigungmöglichkeiten sind – davon ist in der Bremer Praxis, gesteuert vom Ressort und der Bagis, derzeit nichts zu sehen. 2006 soll das anders werden: 22.000 Angebote unterschiedlichster Art soll die Bagis dann finanzieren. Ein-Euro-Jobs wären damit nur noch ein Teil einer breiten Palette von Möglichkeiten zwischen Eingliederzungszuschüssen, Einstiegsgeld, Qualifizierung oder Bildung.
Die Haltung der Solidarischen Hilfe, dass hinter der Zuweisung von Menschen in Ein-Euro-Jobs auch die Absicht stehe, die Betroffenen klein und gefügig machen zu wollen, nennt Barloschky einen „Irrglauben“. Sie meint, die Wahrheit sei schlichter: Ein-Euro-Jobs seien die billigsten und bequemsten Arbeitsgelegenheiten – „aber volkswirtschaftlich die teuersten“, so Barloschky, die das Instrument in der bisherigen Ausschließlichkeit für den falschen Weg hält.
Billiglohn, Zwangsverhältnis, Verdrängung von Normalarbeitsplätzen – das ist es, was Ein-Euro-Jobs wesentlich ausmache, so formuliert es Martin Lühr von der Arbeitslosenberatung Agab: „Das Instrument an sich ist gruselig.“ Bei der Umsetzung „bewegt sich Bremen halbwegs im grünen Bereich“, beobachtet Lühr. Die Erfahrungen von Ein-Euro-Jobbern, die die Agab sammle, seien „sehr unterschiedlich“. Es gebe Menschen, die seien – abgesehen von der Bezahlung – „ganz zufrieden“, es gebe eine Reihe von „Fehlvermittlungen“, wo die Bagis „aktionistisch“ Menschen in Maßnahmen weise, ohne nach dem Sinn zu fragen, und es gebe auch „einen Teil von etwas fragwürdigen Maßnahmen“, in denen die Ein-Euro-Jobber nicht so eingesetzt würden wie vorgesehen.
Was die für viele Langzeitarbeitslose anstehenden Zwangsumzüge angeht, könnten andere Maßnahmen als Ein-Euro-Jobs einiges retten, das sagt nicht nur Martin Lühr: Wer mit einer Beschäftigungsmaßnahme wie ABM rauskommt aus dem ALG-II-Bezug, der kann seine Miete selbst bezahlen – und muss sich nicht gemäß den Wohngeldgrenzen eine billigere Wohnung suchen. Das betrifft in Bremen etwa 5.500 Menschen. sgi