Zementierter Status

Janne Ahonen war im vergangenen Winter kaum zu schlagen. Bei der heute beginnenden Vierschanzentournee sind es andere Skispringer, die als Topfavoriten gehandelt werden

AUS OBERSTDORFKATHRIN ZEILMANN

Janne Ahonen ist nicht groß aufgefallen, als er in beigefarbener Jacke und mit Pferdeschwanz das Pressezentrum in Oberstdorf betreten hat, um über die bevorstehende Vierschanzentournee zu sprechen. Er hat es nicht mehr nötig, den Sponsoren zu gefallen, indem er Mützen mit albernen Logos trägt und Jacken mit Aufnähern. Sein Status im Skisprung ist zementiert: Er ist der ernste Finne, der weit und stilistisch schön springt, dem die Show egal ist und dessen Bankkonto sich trotzdem füllt.

Vor einem Jahr hat er die Tournee in beeindruckender Art und Weise gewonnen, nur der Österreicher Andreas Höllwarth versagte ihm auch noch den vierten Sieg im vierten Einzelspringen. In diesem Winter wird sein Name wieder genannt, wenn es um die Auflistung der Favoriten auf den Tourneesieg geht. Einziger Unterschied: Im Vorwinter endete die Favoritenliste nach dem Namen Ahonen, weil ihn niemand ernsthaft gefährden konnte. In der aktuellen Saison aber hat er noch kein Springen gewonnen, Jakob Janda dagegen hat schon vier, der Schweizer Andreas Küttel zwei. „Er ist nicht schlecht gesprungen. Wir hatten nur vor dem Saisonstart extrem schlechte Trainingsbedingungen, weil es nicht möglich war, Schanzen zu präparieren“, sagt sein Trainer Tommi Nikunen. Diese Defizite habe man aber mit einer intensiven Trainingsphase vor der Tournee kompensieren können. Ahonen erklärt: „Ich konnte gut arbeiten, das hat mich weiter vorangebracht.“

Ahonen ist nicht mehr unangefochtener Beherrscher des Geschehens, wie es noch in der Vorsaison der Fall war, als er die Tournee, den Gesamtweltcup und Gold bei der WM gewann. „Zehn bis 15 Springer können es in die Spitze schaffen“, sagt er. „Die Tournee wird eine harte Zeit für mich.“ Schon vor der Saison hatte er gemutmaßt: „Die anderen müssen nicht mich fürchten, sondern ich muss sie fürchten.“ Janda wird gewinnen, glauben die meisten Experten. Sie vergessen allerdings, dass der scheue Tscheche trotz seiner glänzenden Form am Rummel und am Stress der Tournee scheitern könnte. Ahonen dagegen scheint immun gegen äußere Einflüsse. Er hat im Vorwinter als Saisonziel den Gewinn von WM-Gold auf der Großschanze genannt und diese Vorgabe in beeindruckender Manier erreicht. „Es ist mein Geheimnis, dass meine Leistung konstant ist und ich viele Dinge ausblenden kann.“

Im Winter werden viele Nebengeräusche für ihn unwichtig, im Sommer sogar das Skispringen. Zum zweiten Mal hat er an Dragster-Rennen teilgenommen und sowohl die finnische als auch die skandinavische Wertung gewonnen. Ahonen fuhr Autorennen, während die Konkurrenz sich beim Sommer-Grand-Prix beäugte und tuschelte, wie unmöglich und arrogant es von Ahonen sei, auf den Sommerwettstreit zu verzichten.

„Für mich ist der Motorsport wichtig, weil ich abschalten kann und nicht ans Skispringen denke. Ich kann den Kopf frei bekommen und beginne mein Training wieder neu motiviert“, sagt er. Trainer Nikunen erlaubt ihm diese Ausflüge, weil er weiß, dass ein Athlet wie Ahonen seine Freiheit braucht: „Janne merkt selbst, was gut für ihn ist.“ Seine Karriere ist außergewöhnlich, weil er sich seit zehn Jahren beständig in der Weltspitze hält. Er hat allen Modeerscheinungen getrotzt, dem Drang zu Hungerkuren genauso wie dem Versuch, aus ihm einen strahlenden Helden zu machen. Er hat alle Materialreglementierungen akzeptiert, ohne zu murren, und sich allen Stilveränderungen schnell angepasst. Er hat Überflieger wie den Japaner Funaki oder Hannawald kommen und gehen sehen. Nur Ahonen ist geblieben und hat noch einen Wunsch. „Man muss sich das einmal vorstellen: Janne Ahonen hat bei Olympia noch keine Einzelmedaille gewonnen“, sagt sein Trainer. In Turin soll es klappen. „Ich würde gerne eine Einzelmedaille holen, denn es werden meine letzten Olympischen Spiele sein“, sagt Ahonen. Für dieses Vorhaben in Turin habe er im Sommer hart trainiert und keineswegs nur Autorennen gefahren, versichert er. „Ich habe garantiert nicht weniger gearbeitet als die anderen.“

Der junge Mann im Freizeitoutfit schaut in viele Kameras, aber lächelt nicht dabei. Sollte sich Janne Ahonen tatsächlich um sein Image viele Gedanken machen, dann vornehmlich darüber, dass bloß kein Lächeln über sein Gesicht huscht.