LESERINNENBRIEFE :
Zu viele „Pannen“
■ betr.: „Da hätte man besser sein können“, „Polizist macht Totenkopf-Foto“, taz vom 15. 4. 13
Es stellt sich die Frage, wie lange man sich diese halbseidenen Entschuldigungen der, vor allem rechten, Politiker noch anhören muss, wenn es um rechte Tendenzen im Verfassungsschutz oder anderen (Polizei)- Behörden geht. Da wird sich mit einer Energie auf sogenannte „Linksgruppierungen“ oder „Islamisten“ gestürzt und beobachtet, Demonstranten grundgesetzwidrig observiert, aber jede, mehr oder weniger durch Zufall öffentlich gewordenen rechtsextreme Verbindung, die dem Verfassungsschutz „entgangen“ ist, wird dann lediglich als Panne bezeichnet.
Pannen sind ja nicht so schlimm, kann ja passieren; aber in der Häufigkeit? Anfragen von Abgeordneten der Linkspartei wird einfach nicht nachgegangen, Hinweise werden nicht ernst genommen. Wenn der Tatbestand dann öffentlich wird, tut man fürchterlich überrascht.
Ich möchte allen Ernstes die Frage aufwerfen, wie weit rechtes Gedankengut sich gerade in solchen Ämtern sammelt und auch toleriert wird. Vor allem, wenn man die Berichterstattung über die Aktivitäten der V-Leute im Verfassungsschutz beobachtet und erkennt, dass mit deren Honoraren die rechte Szene finanziert wurde/wird; oder wie selten Polizeibeamte mit rechtsextremer Gesinnung aus dem Dienst entfernt werden. Unter dem Extremismusgesetz durfte noch nicht einmal ein Postbote verbeamtet werden, wenn er sich einer linken Gruppierung zugehörig fühlte. Gewerkschafter werden vom Verfassungsschutz verfolgt, obwohl dies per Gerichtsbeschluss untersagt wurde. Ist rechtes Denken nach wie vor in unserer Gesellschaft vorherrschend und verantwortlich für bestimmte Einstellungen, wie ein Leser in der letzten Woche in der taz in einem Leserbrief ebenfalls fragte? ALBERT WAGNER, Bochum
Fachlich unprofessionell
■ betr.. „Chaostage in München“, taz vom 16. 4. 13
Alle Aktivitäten des Oberlandesgerichts (OLG) München zur Zulassung der Medien und der Öffentlichkeit generell zum NSU-Prozess lassen sich als fachlich unprofessionell und politisch instinktlos bewerten. Als ob hier eine Laienspielschar zu Werke gegangen ist. Das OLG München hat wie jede staatliche Organisation eine fachliche und eine disziplinarische Hierarchie und somit namentliche Verantwortliche. Als Steuerzahler hätte ich gern gewusst, wem der entstandene Zusatzaufwand zur Prozessführung in Rechnung gestellt werden soll. Soviel „Unsinn am Stück“ darf doch nicht ohne persönliche Konsequenzen bleiben. WOLFGANG SIEDLER, Langenhagen
Wir leben nicht miteinander
■ betr.: „Chaostage in München“, taz vom 16. 4. 13
Die Pannen, aber auch die Hysterie um den NSU-Prozess ist für Menschen, die an diese freie, demokratische und vielfältige Gesellschaft glauben und in Deutschland gern leben, kaum zu ertragen. Jeder dumme Verwaltungsakt eines Gerichts wird von Medien, Interessenverbänden und Politik zum Skandal erklärt.
Auf der einen Seite wird die Gesellschaft in Sippenhaft für Versagen von Polizei, Justiz und Politik genommen, auf der anderen Seite hat man zu wenig Feingefühl für die Gefühle der Opfer. Das alles wird uns wieder mehr spalten, als uns zueinander zu bringen. Verrückte Rassisten wird es immer geben, das Hauptproblem für unser Land bleibt, dass wir hier nur nebeneinander, nicht miteinander leben. Wenn es mehr Vielfalt in Familien, Freundes- und Bekanntenkreis, Nachbarschaft oder Vereinen geben würde, als diese Neigung seit Jahrzehnten zum „Unter-sich-bleiben“, auf allen Seiten, würde es viele Debatten gar nicht geben. MARKUS MEISTER, Kassel
Absurdes Theater
■ betr.: „Steinbrück überzeugt die SPD“, taz vom 15. 4. 13
Also mich überzeugt er nicht! Straft er sich doch innerhalb seiner eigenen Rede Lügen! „Weg von der Ellenbogenmentalität, hin zu einem ‚mehr wir‘ und ‚weniger ich‘“, fordert er von der Gesellschaft.
Er könnte ja in der SPD damit anfangen und seine Rede mit „Wir wollen regieren!“ beginnen. Er sagt aber „Ich will Kanzler werden!“ Da denken wir doch gleich wieder an die „Beinfreiheit“… und es wird klar, dass hier ein neuer „Basta“-Typ in den Startlöchern steht, dessen Worte sich mit den schönen Schachteln seiner WahlkampfgegnerInnen messen lassen können. Wo ist unser Beppe Grillo, der in diesem absurden Theater mal kräftig aufmischt?
SABINE MIEHE, Marburg
Richtungswechsel nicht plausibel
■ betr.: „SPD will neu durchstarten“ u.a., taz vom 15. 4. 13
Solange der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel noch betont, die SPD könne „stolz auf die Agenda 2010“ sein, mag man an einen Richtungswechsel nach links nicht so recht glauben. Vieles, was jetzt als das „neue Wahlprogramm“ angepriesen wird, wäre ohne die Agenda gar nicht notwendig.
Um diesen Richtungswechsel etwas plausibler zu machen, müsste die SPD ihre gut gehegte Feindschaft gegenüber der Partei Die Linke endlich aufgeben. Dann wären zumindest die Wahlchancen größer und auch die Wahrscheinlichkeit, dass nach der Wahl nicht alle guten Vorsätze wieder in Vergessenheit geraten.
HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel