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: Grüner Menschenrechtler bald in Kabul

Vor allem die US-amerikanischen Mitarbeiter der UN-Mission im Kosovo waren vor sechs Jahren dem Chef der Abteilung Innenpolitik gegenüber noch äußerst misstrauisch. Denn sie hatten von dem ehemaligen grünen Frankfurter Stadtkämmerer viel „Schreckliches“ gehört. Tom Koenigs hat Ende der Sechzigerjahre sein gesamtes ererbtes Vermögen dem nordvietnamesischen Feinden, dem Vietkong, zur Verfügung gestellt.

Doch das Misstrauen löste sich bald auf. Denn Koenigs stürzte sich wie kaum ein anderer in die Arbeit. „Ich bin stolz darauf, ein Bürokrat zu sein“, erklärte der schmale Blonde damals bei Mineralwasser und Tee einer dem Wein zusprechenden Journalistenrunde.

In der Tat behielt er einen kühlen Kopf. Seine Fähigkeit, aus dem Nichts eine Verwaltung und eine Polizei aufzubauen, fiel in New York auf. Auch dass es ihm in kürzester Zeit gelang, ein Netzwerk von Vertrauten in der einheimischen Bevölkerung zu finden. Jetzt wurde der 61-Jährige zum UN-Sonderbeauftragten für Afghanistan berufen und tritt im Februar sein Amt an.

Die steile Karriere in der UN hatte er anfangs seinem Freund aus alten Spontizeiten, Joschka Fischer, zu verdanken. Die beiden haben viele Berührungspunkte. Denn nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und einer Zeit als wissenschaftlicher Tutor für Politische Ökonomie und Wissenschaftstheorie an der Freien Universität in Berlin versuchte Koenigs sich Anfang der 70er-Jahre mit „revolutionärer Betriebsarbeit“ und arbeitete als Feingeräteelektroniker und Schweißer in Frankfurt und Rüsselsheim. Später war er Übersetzer für lateinamerikanische Literatur, wie Fischer Buchhändler und, wenn das Geld nicht reichte, auch manchmal Taxifahrer.

Mitte 2002 ernannte UN-Generalsekretär Kofi Annan Koenigs zum Leiter der UN-Beobachtermission in Guatemala. Dort gelang es ihm, den Friedensprozess nach dem Bürgerkrieg (1960–1996) voranzubringen. Als Kenner Lateinamerikas und langjähriger Aktivist für den Regenwald im Amazonas in den 90er-Jahren hatte Koenigs schon lange zuvor Erfahrungen mit dem Subkontinent gemacht. 2005 ernannte ihn Fischer schließlich zum Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung.

Der neue Posten und die Verantwortung, die dieser mit sich bringt, wird kein Problem für den verheirateten Vater von drei Kindern darstellen. Vielleicht hilft ihm in Kabul sogar seine frühere Sympathie für den Vietkong. Sicherlich aber wird er wie im Kosovo recht schnell Kontakt zur einheimischen islamischen Bevölkerung finden. Bei Mineralwasser und Tee zu sitzen ist er ja gewohnt.

ERICH RATHFELDER