: Ritterliches Verwirrspiel
Vor 700 Jahren war der in Potsdam ansässige Templerorden wegen Ketzerei aus der Kirche ausgeschlossen worden. Jetzt hat er einen Brief erhalten, der dies rückgängig macht. Das Schreiben ist eine Fälschung, sagt der Vatikan
Wer auf die aktuelle Bestsellerlisten blickt, taucht in eine seltsame Welt ein: Bücher über Freimaurer, Tempelritter und Illuminaten stehen ganz oben auf der Beliebtheitsskala. Es geht um die ganz großen Verschwörungstheorien, die, so glaubt mancher, die Menschheit im Innersten zusammenhalten. Um derlei Konspiratives zu erfahren, muss man sich jedoch nicht in das Reich der Fiktion flüchten – ein Blick nach Potsdam genügt. Der Großmeister – sprich der Chef – des dortigen Internationalen Templerordens, Bernd Schwenteck, ist außer sich vor Freude. Endlich, nach fast 700 Jahren, hatte der Heilige Stuhl – sprich der Vatikan – in einem an Schwenteck adressierten Schreiben den Templerorden wieder unter seinen Schutz gestellt. Wenn das stimmt, hätte die Politik des Vatikans eine 180-Grad-Wendung vollführt.
Bernd Schwenteck verkündete die frohe Nachricht auf einer Ordenssitzung Anfang November. Und wer auf die Homepage des Internationalen Templerordens klickt, merkt, wie euphorisch die Stimmung dort ist: „Es erfüllt mit Stolz, aber auch mit Demut […], den Willen des Allmächtigen so direkt zu spüren.“
Doch jetzt, Ende Dezember, ist es schon wieder vorbei mit der Freude. Laut Vatikan handelt es sich bei dem Schreiben um eine plumpe Fälschung: Es stamme gar nicht aus der Feder des zweitwichtigsten Mannes im Vatikan, Kardinalstaatssekretär Angelo Sodano.
Bislang stelle der Heilige Stuhl nach Angaben der Katholischen Nachrichten-Agentur nur zwei Ritterorden unter seinen Schutz: Den Malteserorden und den Ritterorden vom heiligen Grab zu Jerusalem. Die Templer hingegen waren 1305 bei Kirche und Staat in Ungnade gefallen. Man bezichtigte sie der Ketzerei; der französische König Philipp „der Schöne“ ließ am 13. Oktober 1307 tausende Ordensbrüder festnehmen.
Allerdings nicht alle. Einige konnten nach Zypern flüchten und den tempelritterlichen Esprit weitertragen. Wenn das Schreiben des Vatikans echt ist, würde es die Rehabilitation der Tempelritter in der katholischen Kirche bedeuten.
Die Vertretung des Heiligen Stuhls in Deutschland, die katholische Nuntiatur, bezieht klar Stellung. „Der Vatikan sagt, die Sache ist eindeutig eine Fälschung“, sagt Pressesprecher Monsignore Nacke. Die Nuntiatur habe jedoch keine Strafanzeige gegen Schwenteck gestellt. „Wer was getan hat oder da auf was hereingefallen ist, weiß man nicht.“
Tatsächlich gibt es wenig, was man überhaupt weiß bei diesem Ritter-Verwirrspiel. Die Staatsanwaltschaft Potsdam bestätigte den Eingang einer Anzeige gegen den Großmeister Schwenteck wegen Urkundenfälschung am 15. Dezember. Wer diese erstattet hat, verriet Oberstaatsanwalt Benedikt Welfens zwar nicht. Offenbar stammt die Anzeige aber aus dem Umfeld eines anderen modernen Templerordens, des „Ritterordens des Tempels zu Jerusalem“.
Der Potsdamer Internationale Templerorden ist eine der diversen modernen Gruppierungen, die sich in der Tradition der Tempelritter sehen. Ritterliche Tugenden wie Mannhaftigkeit, Treue und Verlässlichkeit werden im dem Orden noch heute groß geschrieben. Nur adlig muss man nicht mehr sein, wenn man Mitglied werden möchte. Bernd Schwenteck erklärt: „Unsere Mitglieder kommen aus allen Schichten. Vom Hotelier bis zum Banker oder Arzt ist alles dabei.“
Welfens glaubt nicht, dass Großmeister Schwenteck selbst hinter der Fälschung steckt. „Das kann auch eine Intrige sein. Ich glaube nicht, dass die Tempelritter so doof sind und das selber machen. Das wäre ja so, als ob ich verkünden würde, dass ich den Friedensnobelpreis gewonnen habe. Dann würde man mich ja auch auslachen.“
Auch Schwenteck räumt ein, dass eine Intrige möglich sei. Er könne eine Fälschung „nicht zu 100 Prozent“ ausschließen. Schließlich hätte sein Orden genug Feinde, denen Schlimmstes zuzutrauen ist: Malteser, Freimaurer und „professionelle Autoschieberbanden“ – um nur ein paar zu nennen. Offensichtlich ist auch die Beziehung der modernen Templerorden untereinander nicht allzu innig.
Großmeister Schwenteck will erst einmal an die Echtheit des Schriftstücks glauben. Er habe Mails von dem Kardinalstaatssekretär Sodano erhalten, die die Echtheit bestätigten. Zwar stammen diese E-Mails von einen Mailaccount eines italienischen Freemailproviders, bei dem jeder eine Adresse bekommen kann. Dieser Einwand schreckt Schwenteck jedoch nicht: Er habe den Schreibstil Sodanos erkannt, sagt Schwenteck. Für alle Unklarheiten macht er „vatikaninterne Grabenkämpfe“ verantwortlich. Unzufrieden ist Schwenteck auch mit der Berichterstattung. „Das ist Rufschädigung.“ Deutschland sei noch nicht reif für einen Orden. Schade: Dann müssen wir doch wieder die einschlägigen Thriller lesen. HEIKE SCHMIDT