: Huan Yin, Lai Bolin!
Herzlich willkommen in Berlin, heißt es nicht nur für chinesische Touristinnen am Brandenburger Tor. Das Jahr 2005 brach Touristen-Rekorde, und zur WM im nächsten Jahr werden noch mehr kommen
VON RICHARD ROTHER
Helmholtzplatz, Prenzlauer Berg. „Wo gehts denn hier zum ‚Wohnzimmer‘“?, fragte neulich ein junges Pärchen mit bayrischem Akzent einen Berliner. Obwohl nicht ganz einleuchtet, was an einer Kneipe ohne Thekenplätze cool sein soll, gab der Anwohner bereitwillig Auskunft. Berlin hat sich auf seine Touristen eingestellt.
Das ist auch ganz gut so. Denn nach wie vor ist der Tourismus eine der wenigen Boombranchen der Stadt. Die Zahlen sprechen für sich: Dieses Jahr kamen 18 Prozent mehr ausländische Touristen nach Berlin als im Vorjahr, knapp 15 Millionen Übernachtungen werden es bis Silvester sein. Damit hat die Stadt das Ziel, das eigentlich für 2010 angepeilt war, schon fünf Jahre vorher erreicht. Immerhin rund 170.000 Arbeitsplätze bringt der Tourismus einer Stadt, in der knapp jeder Fünfte ohne Job ist.
Die Fußball-Weltmeisterschaft der Herren, die im kommenden Sommer in Deutschland stattfindet, wird den Touristenboom noch verstärken. Mit rund 300.000 zusätzlichen Übernachtungen in den vier WM-Wochen rechnet die Berlin Tourismus Marketing GmbH (BTM), schon jetzt sind viele Hotels in dieser Zeit zu 80 Prozent ausgebucht (siehe unten). Eine Million zusätzliche Besucher werden erwartet.
Die Tourismuswerber der Stadt stellen sich darauf ein. Präsentiert sich das touristische Berlin im Internet zurzeit in zehn Sprachen – Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Spanisch, Niederländisch, Russisch, Polnisch, Chinesisch (Mandarin) und Japanisch –, wird im WM-Jahr eine weitere, für Fußballer wichtige Sprache hinzukommen: Portugiesisch. Später könnte Arabisch folgen. „Die Fifa-WM 2006 ist fantastisch für die Stadt“, sagt BTM-Sprecher Gerhard Buchholz.
Die WM wird sich dabei auch nachhaltig auf den Berlin-Tourismus auswirken. „Die Medienresonanz wird enorm sein und im Jahr 2007 noch mehr Besucher nach Berlin holen“, schätzt Buchholz. Dies hätten die Erfahrungen der Fußball-Europameisterschaft 2004 in Portugal und der Olympischen Sommerspiele 2004 in Athen gezeigt.
Dass der Touristenstrom – schließlich werden alle reiselustigen Briten, Italiener oder Niederländer irgendwann einmal in Berlin gewesen sein – mittelfristig versiegen könnte, bezweifelt Buchholz. „Viele kommen ja auch zwei oder drei Mal, wenn es ihnen gut gefallen hat.“ Außerdem verändere sich Berlin so schnell, das wollten die Leute gern immer wieder aus nächster Nähe sehen. Zudem gebe es noch Potenzial in Osteuropa und Ostasien – vor allem mit neuen Direktverbindungen ins boomende China. Und über viele Touristen freuen sich nicht nur die Hotels und Kneipen, sondern auch der Einzelhandel, die Verkehrsbetriebe und Kultureinrichtungen.
Aber könnte das Berliner Image als Touristen- und Party-Stadt den anderen Wirtschaftszweigen schaden? Nach dem Motto „In Berlin macht man Party, keine Geschäfte“? Buchholz glaubt das nicht. „Eine Stadt, die für Gäste interessant ist, erscheint auch in anderen Bereichen attraktiv.“ So entwickele sich Berlin mittlerweile zu einer Musik- und Mode-Stadt.
Nicht nur die Nachfrage, auch das touristische Angebot wächst. 80.000 Betten in Hotels und Hostels gibt es zurzeit in Berlin, im nächsten Sommer werden es schon 85.000 sein. Für die Touristen toll, für die Hoteliers ein Problem: Wegen der großen Konkurrenz ist das Preisniveau relativ niedrig. Das dürfte sich kaum ändern. Schlimm ist das nicht – in welcher anderen Stadt in Deutschland kann man schon sonst einer Schulklasse aus dem armen Sardinien zurufen: Benvenuti a Berlino!