Mit Pumakralle und Leguanzunge

Kartoffeln sind Muntermacher, die die Zellen schützen und auch das Herz-Kreislauf-System. Mit den vielen Facetten der Knollen beschäftigt sich das Kartoffelinstitut in Lima. Mehrere tausend Kartoffelsorten sind dort in der Genbank eingelagert

Derzeit ernährt die Kulturpflanze rund 230 Millionen Menschen weltweit – Tendenz steigend

AUS LIMA KNUT HENKEL

Alberto Salas deutet auf eine kleine, schrumpelige Knolle. „Eine von 141 wild vorkommenden Kartoffelsorten. Die bilden das Herz unserer Genbank“, sagt der klein gewachsene Wissenschaftler vom Internationalem Kartoffelinstitut (CIP) in Lima.

Deren detaillierte Erforschung liefert wertvolle Erkenntnisse für die Bekämpfung von Krankheiten, die moderne, durch Züchtung modifizierte Sorten oft aufweisen, so Salas. Kartoffelfäule ist bis heute eine der verbreiteten Pilzerkrankungen: neue Kartoffelsorten, die gegen die heute bekannten Stämme des Pilzes resistent sind, werden auch am CIP entwickelt. „Ohne den Rückgriff auf die Wildsorten wird das zunehmend schwieriger“, erklärt der 54-jährige Wissenschaftler.

Für ihn und die Wissenschaftler des 1973 gegründeten Instituts sind diese Sorten ein Schatz, der für die langfristige Ernährungssicherung eine nicht unwesentliche Rolle spielt. Das gilt aber auch für die über 4.000 Kartoffelsorten, die etwa 1.200 Varietäten der Süßkartoffel und die rund 1.000 Sorten sonstiger Knollenfrüchte, die in den geräumigen Kühlräumen des Instituts lagern. Für die Wissenschaftler des Instituts liefert diese Vielfalt immer wieder neue Ansatzpunkte für Forschungsprojekte im Dienste der Bauern.

Für die Kleinbauern wird am CIP, das von internationalen Gebern finanziert wird, in erster Linie geforscht, erklärt William Roca, Leiter des Biodiversitätsprogramms vom CIP. Für deren Bedürfnisse wird Saatgut bereitgestellt, wenn nötig auch entwickelt und geliefert. Aber von den Kleinbauern kommen auch immer wieder Forschungsanstöße – so arbeitet Roca derzeit eng mit mehreren Indio-Gemeinden in der Region von Cusco und Huancayo zusammen, die nur traditionelle Kartoffelarten anbauen und dabei sind, ihr Wissen über die Knollen zusammenzutragen. So gibt es bestimmte Sorten, denen eine medizinische Wirkung nachgesagt wird.

Dazu gehören auch die blauen Kartoffeln, die Anthocyane, einen wasserlöslichen Farbstoff, enthalten. Der soll das Herz-Kreislauf-System schützen und antioxidativ wirken. Er bindet aggressive Stickstoff- und Sauerstoffmoleküle, die die Zellen angreifen. Natürliche Farbstoffe enthalten viele der papas nativas, wie die herkömmlichen Arten in Peru genannt werden, von denen viele kaum erforscht sind.

Dazu gehört auch die fast schwarze Puma Maki. Deren Form erinnert an die Pranke der Raubkatze, wohingegen zweifarbige Puka Mama eine ovale Form aufweist. Formen aber auch Farben der Andenknollen sind überaus vielfältig, und vor allem die leuchtenden Farben haben CIP-Fachmann André Devaux auf die Idee gebracht, bunte Kartoffelchips auf den Markt zu bringen. Der Kontakt zwischen einem privaten Unternehmen und den Bauern steht, sodass die bunten Chips demnächst auf den Markt kommen sollen, so Devaux. Er war auch an der Entwicklung eines Kartoffelpürees, des puré andino, beteiligt, der mittlerweile auf dem Markt ist. Das tiefgelbe Püree aus der mehrfach prämierten Tumbay-Kartoffel wurde mit Unterstützung aus dem Schweizer Entwicklungsfonds kreiert und soll die Nachfrage nach den alten Sorten erhöhen.

Sortenvielfalt und Ernährungssicherheit – für Roca ist dies das richtige Konzept, um den Marktanteil der traditionellen Sorten zu steigern. Die sind selbst in Peru nicht sonderlich präsent. Seit kurzem wird allerdings eine Mischung verschiedener Sorten in der größten Supermarktkette des Landes angeboten.

Diese Biokartoffeln sind recht gut angekommen, so Roca. „Unser Problem ist, dass der Markt sich schnell auf eine Sorte fixiert. Wir wollen aber möglichst viele Sorten ins Angebot bringen“. Für die Einkäufer der Supermarktketten ein kontraproduktives Vorgehen, das vorerst mit dem Kompromiss des bunt gemischten Kartoffelbeutels gelöst wurde. Ob die alten Sorten am Markt eine Chance haben, hängt allerdings auch davon ab, ob sie, wie immer wieder behauptet wird, wirklich eine das Immunsystem stärkende Wirkung haben. Punktuell werden sie bereits in der HIV- und Krebstherapie eingesetzt, so Roca. Doch fundierte Studien liegen, so der Wissenschaftler, noch nicht vor.

Fundiert ist allerdings der hohe Vitamin-C-Gehalt. Zwei Knollen decken bereits den Tagesbedarf, und derzeit ist die Kartoffel die viertwichtigste Kulturpflanze der Welt. Neue Anbauländer wie Kuba, wo die Kartoffel seit Beginn der Neunzigerjahre vermehrt angebaut wird, aber auch die steigende Beliebtheit der Süßkartoffel sind dafür verantwortlich.

Um durchschnittlich drei Prozent sind die Erträge in den letzten Jahren gestiegen, und die Knolle hat nicht nur aufgrund des hohen Vitamin C- und Eiweißgehalts das Potenzial, einen wesentlichen Beitrag für die Ernährungssicherheit zu leisten, bekräftigt William Roca. Derzeit ernährt die Kulturpflanze rund 230 Millionen Menschen weltweit – Tendenz steigend. Daran hat das CIP einen wesentlichen Anteil, denn in den Labors in Lima wurden auch Kartoffelsorten mit kurzen Wachstumszeiten entwickelt, die eine zusätzliche Ernte ermöglichen. Und dafür war der Rückgriff auf die alten Sorten wiederum entscheidend.