: Citymaut mit Schönheitsfehlern
Zum neuen Jahr führt Stockholm versuchsweise einen Straßenzoll ein. Doch die gute Idee hat ihre Haken. Jeder kann zukünftig nachschauen, wann der Nachbar in die Stadt gefahren ist. Das sind schlechte Bedingungen für die Abstimmung im September
AUS STOCKHOLMREINHARD WOLFF
Ab Dienstag ist Stockholm nicht mehr kostenlos. Dann kostet es eine Fahrt mit Pkw in die City zur Rushhour „Trängselskatt“, also „Gedrängelsteuer“. Zwei Euro sind Montags bis Freitags zwischen 6.30 und 18.30 Uhr fällig.ansonsten die Hälfte. Der erhoffte Effekt: 20 Prozent der bisherigen Pkw-PendlerInnen lassen ihr Auto stehen und nehmen Bus und Bahn.
Prinzipiell positiv, aber in der Umsetzung teils bedenklich, teils absurd. So gilt das Ganze zunächst nur für sieben Monate – bis zu den Parlaments- und Kommunalwahlen am 17. September. Dann soll in Stockholm auch über die Maut abgestimmt werden. Fast 400 Millionen Euro kosten die Investitionen für den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Technik des Bezahlsystems. Zumindest Letztere wäre hinausgeworfenes Geld, würden die StockholmerInnen mehrheitlich Nein sagen.
Und diese Möglichkeit zeichnet sich nun erstmals ab, die kritischen Stimmen mehren sich. Standen die staugeplagten HauptstadtbewohnerInnen einer Trängselskatt nämlich vorab deutlich aufgeschlossen gegenüber, zeigen sich nun 51 Prozent skeptisch und nur noch 44 Prozent positiv.
Stockholms Straßenzoll wird nicht als Benutzungsgebühr, sondern als Steuer erhoben. Nun fällt aber alles was mit Steuern zu tun, hat in Schweden unter das Öffentlichkeitsprinzip. Mit einigen Internetklicks kann man also bald nicht nur sehen, wie viel Einkommensteuer der Nachbar bezahlt, sondern auch, ob und wann sein Pkw an einer Stockholmer Mautstelle fotografiert wurde.
162 Kameras an den Mautgrenzen registrieren alle Kennzeichen, und das in beide Richtungen bei jeder Durchfahrt. Wer einen Transponder hinter der Windschutzscheibe hat, von dessen Konto wird automatisch die Maut abgebucht. Alle anderen haben 5 Tage Zeit an einem Zeitungskiosk oder bei 7-Eleven die Steuer einzubezahlen. Dort stehen Terminals, auf denen man selbst nachschauen kann, was man aktuell schuldig ist. Und jeder andere auch.
All diese schönen Kameras, die Daten in Massen sammeln, haben bereits im Versuchsbetrieb die Begehrlichkeit der Polizei geweckt. Und anders als in Deutschland, wo ein Gesetz das bei den Mautbrücken von Toll Collect – noch – verbietet, haben die Strafverfolgungsbehörden vollen Zugriff auf diese Daten. Anlässlich einiger Überfälle auf Geldtransporte wurden die Kameradaten bereits ausgewertet. Die Bürger Stockholms werden also etwas gläserner. Es sei denn, sie nutzen auch aus diesem Grunde zukünftig öfter die Busse und Bahnen.
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