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Archiv-Artikel

„Massive Störungen der Wohnnutzung“

STREIT Eine private Flüchtlingsunterkunft in Mitte steht auf der Kippe: Der CDU-Baustadtrat will die Asylbewerber nicht mehr dulden, weil der Kiez zum „allgemeinen Wohngebiet“ deklariert wurde

VON MARINA MAI

Berlins Asylbeweberunterkünfte sind überfüllt, aber der Bezirk Mitte findet nichts dabei, die Situation noch zu verschärfen: Weil Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) die Betreiberin eines Heims unter Druck setzt, könnten bald 212 Asylbewerber auf die Straße gesetzt werden.

Diese Menschen wohnen zurzeit in den hinteren Gebäudeteilen eines Gründerzeithauses unweit der BND-Baustelle, im Vorderhaus befindet sich noch ein Hostel. Eigentlich wollte die Betreiberin – eine sozial engagierte Migrantin – in vier Wochen auch hier Asylsuchende einziehen lassen. Mit dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hat sie darüber einen Vertrag über zehn Jahre geschlossen. Die Gebäude wurden vor wenigen Jahren aufwändig saniert, Küchen und sanitäre Einrichtungen sind perfekt.

Im Lageso, wo man händeringend Plätze für Asylbewerber sucht, freute man sich über das Engagement der Betreiberin. Nicht so im Bezirk Mitte. CDU-Baustadtrat Carsten Spallek untersagte der Frau – die so verunsichert ist, dass sie mit der Presse nicht reden will – den Betrieb eines Asylbewerberheims. Auf Nachfrage begründet er das mit der Einstufung des Kiezes als allgemeines Wohngebiet vor einem Jahr. Dort sei auch ein Hostel wegen des „erheblichen Störpotenzials“ für Nachbarn nicht mehr genehmigungsfähig. Es genieße lediglich Bestandsschutz.

„Die Asylbewerber halten sich überwiegend ganztägig auf dem Grundstück oder im unmittelbaren Umfeld auf“, teilt Spallek der taz schriftlich mit. „Aufgrund der hohen Belegungsdichte ist die Privatsphäre der Bewohner im Gebäude eingeschränkt. Insofern werden sich viele Bewohner im Hof oder vor dem Grundstück aufhalten. Hieraus resultiert eine nicht vertretbare massive Störung der umliegenden Wohnnutzung.“ Sollte die Betreiberin die Asylbewerber weiter unterbringen, so Spallek, käme zunächst ein Zwangsgeld in Betracht, später eine Räumung.

Beim Flüchtlingsrat ist man fassungslos. Sprecherin Martina Mauer: „Die geplante extrem dichte Belegung des Hauses mit seinen engen Hinterhöfen ist tatsächlich problematisch, jedoch nicht für die Nachbarn, sondern für die Bewohner selbst. Es ist beschämend, wie der Baustadtrat sich gegen die Zuweisung von Flüchtlingen wehrt.“ Statt dem Land bei der Standortsuche Steine in den Weg zu legen, solle der Bezirk besser überlegen, „welche kleineren Objekte zur Unterbringung geeignet wären“.

Alternativen hat der Bezirk aber nicht vorgeschlagen, wie Spallek einräumt. Die Grünen in der BVV Mitte haben beantragt, das umstrittene Haus in eine dauerhafte Asylbewerberunterkunft umzuwidmen. Spalleks juristische Raffinessen weisen sie zurück. Von den Linken werden sie unterstützt. Deren Bezirksverordnete Elke Reuter hat die Betreiberin getroffen: „Die Frau ist so verunsichert, dass sie aus Angst vor einem Rechtsstreit mit ungewissem Ausgang erwägt, die Asylbewerber von sich aus vor die Tür zu setzen.“

Die Linken-Bezirksverordnete fordert von der Senatsverwaltung für Soziales einen runden Tisch mit allen Beteiligten. Der könnte am fehlenden Willen des Stadtrats scheitern. Spallek wettert auf seiner Website gegen die Senatsverwaltung: diese nutze Gebäude zur Unterbringung von Asylbewerbern ohne planungsrechtliche Überprüfung. O-Ton Spallek: „Ich bin nicht gewillt, diese unzulässige Verfahrensweise hinzunehmen.“