: Ab morgen geht es rund
Das Jahr 2006 steht auch in Berlin im Zeichen der Fußball-Weltmeisterschaft. Nur: Wer vom Berliner Personal hat sich 2005 als WM-tauglich erwiesen? Eine Mannschaftsaufstellung Von UWE RADA
Thomas Flierl: der Mittelfeldtänzer
Hier ein Haken, dort ein Schlenker, so stellt man sich einen intelligenten Mittelfeldspieler vor. Thomas Flierl, der Berliner Kultursenator, ist so gesehen die Nummer zehn im Berliner WM-Team und damit der Marcelinho der politischen Klasse. Das hat er auch 2005 wieder unter Beweis gestellt. „Auf niedrigem Niveau gestartet, einen beachtlichen Aufstieg hingelegt und dann abgestürzt“, lautete unlängst die Spielbewertung einer bekannten Berliner Tageszeitung. Was so viel heißen soll: Abwehrarbeit ist seine Stärke nicht, im Mittelfeld glänzt er mitunter, kommt er aber mal zum Strafraum, dreht er gleich wieder um.
FAZIT: Droht 2006 die Auswechslung
Christian Ströbele: der Kapitän
Dieser Mann steht auf der Brücke wie kein anderer. Unbeirrbar hält er das Ruder und sagt sich: „Ich glaube an mich, ich glaube an mich, ich glaube an mich.“ Und bald schon fällt die Mannschaft in den Singsang ein und wiederholt die Autosuggestion wie ein Mantra: „Wir glauben an uns, wir glauben an uns, wir glauben an uns.“ Einen besseren Kapitän könnte der FC Berlin im Weltmeisterschaftsjahr also nicht haben als das grüne Urgestein, das bei der Bundestagswahl im vergangenen September bereits zum zweiten Mal gezeigt hat, wie man Erfolg buchstabiert. Da stört es auch nicht, dass Christian Ströbele nicht mehr der Jüngste ist. Aber Fußball findet bekanntlich ja nicht nur auf dem Rasen statt, sondern auch im Kopf.
FAZIT: Vergesst Michael Ballack
Michael Prütz: der Linksaußen
Eins kann man Michael Prütz nicht vorwerfen: dass er nicht wüsste, wo der Gegner steht. Im Fußball gehört diese Eigenschaft nicht zu den schlechtesten, und deshalb hat es der Linksaußen der WASG auch in die Berliner WM-Mannschaft gebracht. Seitdem rennt der gelernte Versicherungsmakler nicht nur 90 Minuten lang die Linie rauf und runter, sondern terrorisiert den Gegner auch mit Sprechgesang: „Sag mir, wo du stehst!“ Blöd nur, dass Prütz seine Überzeugungen auch beim Training nicht fahren lässt. Schon mehrfach soll es deshalb zu Tumulten in der Mannschaft gekommen sein und auch zu unschönen Worten, von denen „Mini-Lenin“ noch das harmloseste war. Getreu der Losung, dass der Ball rund ist, damit das Spiel seine Richtung wechseln kann, fordert Prütz für die WM, gegen einen Würfel zu kicken.
FAZIT: In der Gurkentruppe besser aufgehoben
Adolf Muschg: der Torwart
Die persönliche Jahresbilanz des Noch-Vorsitzenden der Akademie der Künste passte 2005 in einen einzigen Monat. Im Dezember war es, da legte Adolf Muschg mit großem Trara das Zepter nieder und ließ das erstaunte Publikum – und die erstaunten Mitglieder – wissen: Seine Akademie habe es nicht verstanden, am neuen Domizil am Pariser Platz recht ordentlich zu repräsentieren. Nun ist nicht bekannt, ob der Schweizer Schriftsteller Muschg wie sein Vorvorvorgänger, der deutsche Rhetoriker Walter Jens, zu den Fußballfanatikern intellektueller Provenienz gehört. Eins aber steht seitdem fest: Adolf Muschg ist der Gralshüter des Brandenburger Tors. Falls der Schweizer also verspricht, nicht parteiisch zu sein, könnte man ihm antragen, 2006 auch das Berliner Tor zu hüten.
FAZIT (das gleiche wie im Akademiegebäude): Keiner geht mehr rein
Hartmut Mehdorn: der Eigentorschütze
Schon zu Beginn der vergangenen Spielzeit zweifelte mancher, ob Bahnchef Hartmut Mehdorn den nötigen Mannschaftssinn aufbringe. Immerhin war die beleidigte Leberwurst erst vor ein paar Jahren von Heidelberg nach Berlin gewechselt. Und dann das: mitten im Spiel das Eigentor und nach der Auswechslung die unmissverständliche Ansage, nach Hamburg abziehen zu wollen. Erst ein Machtwort des Trainers pfiff den Unbelehrbaren zurück. Dabei hätte es jeder wissen können: Mehdorn kennt keine Mannschaft, sondern nur sich selbst. Wer im kommenden Jahr ins Olympistadion will, muss vom Hauptbahnhof eine Weltreise auf sich nehmen, wo er es vom Bahnhof Zoo so schön nahe gehabt hätte. So wird aus jedem Sieg noch eine Niederlage.
FAZIT: Sofort auswechseln
Robert Hoyzer: der Schwalbenschinder
Ein richtiger Berliner, einer, der mit allen Wassern gewaschen ist, einer, der in die Gosse fällt und sofort wieder aufsteht, das ist Robert Hoyzer. Gut, wegen seines etwas unsportlichen Verhaltens als Schiedsrichter sitzt er erst mal im Knast. Aber das muss ja noch lange nicht das Aus als WM-Spieler bedeuten. Kein anderer würde im Strafraum so prächtig fallen wie Robert Hoyzer, keiner so unschuldig hinterher aus der Wäsche schauen. Da bleibt nur eins: Frau Justizsenatorin Karin Schubert, übernehmen Sie! Lassen Sie Fußballgnade vor Berliner Recht walten, kassieren Sie das skandalöse Urteil, widerlegen Sie Karl-Heinz Rummenigge, der es wagte zu behaupten, Hoyzer habe dem deutschen Fußball einen Riesenschaden zugefügt. Holen Sie den Mann raus aus dem Knast. Dann können Sie wie Robert Hoyzer sagen: Ich bin Berlin.
FAZIT: Ein echtes Lotteriespiel
Detlef Mehlis: der Abwehrchef
Einen guten Abwehrchef zeichnet aus, dass er seinen Gegner kennt. Oberstaatsanwalt Detlef Mehlis kennt seine Gegner, und die, die er nicht kennt, die lernt er kennen. Wenn es sein muss, sogar im Ausland. 2005 wurde der Abwehrchef an den FC Beirut ausgeliehen und erwarb sich die internationale Erfahrung, die dem FC Berlin noch immer fehlt. Seit seiner Rückkehr ist er ein gefeierter Held. Keinen Meter geht er mehr, ohne dass ihn seine Bodyguards abschirmen. Auf dem Platz aber steht er alleine seinen Mann. Den gegnerischen Freistoß, der eventuell zum Tor führen kann, hat er schon berechnet, bevor er geschossen wird. Nun muss nur noch der Keeper den Berechnungen folgen.
FAZIT: Absolut WM-tauglich
Joachim Sauer: der Joker
Kann man ein Fußballspiel planen wie eine Versuchsanordnung? Das Spielfeld vermessen wie Alexander Humboldt? Die Gene des Gegners studieren wie die FAZ? Ein- und Ausfallwinkel eines Passes berechnen wie Friedrich Gauß? Den Sieg organisieren wie Angela Merkel? Man kann, und keiner weiß es besser als der Professor und Kanzlergatte vom Kupfergraben. Noch hat ihn keiner aufgestellt, und auch er selbst hat nicht mit den Fingern geschnippt. Wäre auch nicht sein Stil: Einer wie Joachim Sauer wird gerufen. Schießt ein Tor und verschwindet schnell in der Kabine, bevor ihn Waldemar Hartmann zum Weizenbier lädt.
FAZIT: Fußball ist eine Wissenschaft für sich
Conny Pohlers: die Mittelstürmerin
Sie ist die ideale Mittelstürmerin, die Tormaschine, die Torgarantie, die Torbiene. Doch bevor Conny Pohlers im Sturmzentrum des FC Berlin antritt, muss das Verhältnis der Stadt zu seinem südwestlichen Satelliten geklärt werden. Noch spielt die 26-Jährige nämlich bei Turbine Potsdam. Ihr Vereinschef ist Günter Baaske, ein Vertrauter von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck, und damit ein erklärter Gegner der Länderfusion mit Berlin. All das sollte freilich zu klären sein. Und schießt Conny Pohlers im WM-Jahr 2006 ein entscheidendes Tor, ist die Volksabstimmung letztlich nur noch Formsache. FAZIT: Ein Brandenburger Tor in Berlin
Erika Steinbach: die Rechtsaußen
Auf diese Frau werden am 14. Juni alle Augen gerichtet sein. Welche Position wird Erika Steinbach im Spiel gegen die Polen einnehmen: Offensiv von rechts, oder verhalten aus dem Mittelfeld? In jedem Falle ist ihr die Aufmerksamkeit des Gegners gewiss. Dabei würde ein Blick auf ihre bisherigen Leistungen zeigen – diese Stürmerin wird hoffnungslos überschätzt. Vor kurzem erst glaubte die Chefin des Bundes der Vertriebenen, den Ball im Tor versenkt zu haben. Da stellte sich ihr die katholische Kirche in den Weg, Frau Steinbach verdribbelte sich. Wie ihrem Zentrum gegen Vertreibungen könnte es auch dem Berliner Spiel gehen. Viel Lärm um nichts.
FAZIT: Noch mal ins Trainingslager
Alexandra Hildebrandt: die rechte Verteidigerin
Schon früh im Jahr 2005 brachte sich Alexandra Hildebrandt ins Spiel. Am Checkpoint Charlie ließ die Museumschefin die Berliner Mauer nachbauen. Sie stand auch sonst gerne in der Abwehr – vor allem dann, wenn es gegen den versammelten Spott der Berliner ging. Hildebrandt aber blieb unbeirrbar und ließ sie alle auflaufen. Aus diesem Holz sind Abwehrspielerinnen geschnitzt. Wenn das Spiel einmal verloren geht, muss man eine wie Alexandra Hildebrandt vom Platz tragen.
FAZIT: Ab in die Mauer
Klaus Töpfer: der Umworbene
Neben den Brasilianern waren die Afrikaner schon immer die große Hoffnung im europäischen Fußball. Warum sollte das nicht auch in Berlin so sein? Und warum sollte ein Afrikaner nicht auch mal weißer Hautfarbe sein und bereits einmal in der deutschen Bundesliga gespielt haben? Sie ahnen es, wir sprechen von Klaus Töpfer. Oder besser: Die Berliner CDU tut dies. Noch nämlich ist überhaupt nicht klar, ob der Mann aus Nairobi an die Spree kommen wird. Die Freigabe von seinem bisherigen Verein, dem Umweltclub der Vereinten Nationen, hat er zwar schon. Doch es gibt auch Angebote von anderen Vereinen. Und dann, Hand aufs Herz, stellt sich auch die Frage: Warum in einer Mannschaft kicken, die zwar große Töne spuckt, am Ende aber doch immer wieder gegen den Abstieg kämpfen muss? Deshalb muss statt des Afrikaners wohl ein Charlottenburger ran: Ingo Schmitt.
FAZIT: Jenseits von Afrika gibt es nur im Film
Klaus Wowereit: der Trainer
Nein, man sollte ihn nicht unterschätzen. Erst 2005 hat es Klaus Wowereit wieder unter Beweis gestellt: Beim Folsom-Festival in Schöneberg zeigte sich der Regier- ganz als Zuchtmeister. Und zwar mit allem, was zum Trainerberuf so gehört: Peitschen, Maulkörben, Daumenschrauben. Ein harter Hund also, kein Weichei wie Hans Meyer, eher einer wie Ede Geyer, nur etwas jünger und – sie wissen schon. Aufs WM-Jahr 2006 hat sich Wowereit übrigens mit großer Sorgfalt vorbereitet. Abgelegt hat er nicht nur die überflüssigen Pfunde, sondern auch seine Gastspiele auf der Comedybühne. Das Inforadio lobte gar: „Aus Wowi wurde Wowereit.“ Keine schlechten Voraussetzungen also. Und wenn’s nicht klappt: Daumenschrauben, Peitschen und Maulkörbe werden auch im Roten Rathaus benötigt.
FAZIT: Harte Kerls brauchen das