KAISERSLAUTERN – WER DENN SONST? PIRMASENS? ZWEIBRÜCKEN? : Nur 400 Kilometer bis Paris
„Massentourismus gibt es in Kaiserslautern keinen“, teilt die offizielle „Media Box“ der WM-Stadt Kaiserslautern mit. Dies hat gute Gründe, weswegen die Hochglanzbroschüre schnell ein paar Tipps für ratlose WM-Touristen parat hat. „Paris ist ganze 400 Kilometer entfernt“, heißt es da mit dem in der Pfalz nicht unbekannten Hang zur übertriebenen Ergebenheit. Und: Die „deutsche Toskana“ sei ja auch gleich um die Ecke. Gemeint ist die wunderschön weinselige Südpfalz.
Die Pfälzer neigen dazu, sich noch kleiner zu machen, als sie ohnehin schon wahrgenommen werden. Die Klischees über sie decken sich nicht selten mit der Realität. Ja, es stimmt: Die Pfälzer feiern gern. Um das zu erleben, muss man aber kein Weinfest besucht haben und schon gar nicht mit dem Zug vom architektonisch bescheidenen KL direkt in den Louvre geflohen sein. Des Pfälzers weltoffenes Wesen kann der trinkfreudige WM-Tourist in der Altstadt erfahren, fußnah vom Betze, dem Stadion. Vor allem die Australier werden die Kneipendichte in K-Town genießen.
Die Saudis wohl weniger. Erstens trinken sie kein Bier, und zweitens stehen im so genannten „Kampf gegen den Terrorismus“ Staatsangehörige Saudi-Arabiens generell unter Terrorverdacht, zumindest in den USA des George W. Bush. Nun ist der Landkreis Kaiserslautern so etwas wie der 51. Bundesstaat der USA, 55.000 US-Bürger leben dort, und die US-Militärbasis Ramstein ist nur ein paar Kilometer vom Stadion entfernt. Die Amis bejubelten das Heimspiel gegen Italien, für die Saudis aber gilt: Wenn gegen Spanien gewonnen wird, droht ein Freiflug nach Guantánamo.
Sind die fünf WM-Spiele mit Paarungen wie Japan gegen Australien oder Paraguay gegen Trinidad & Tobago so etwas wie der letzte Porno vor der fußballerischen Impotenz, so gehört die städtische Zukunft der Informationstechnologie. Manche sprechen schon ehrfürchtig vom „Silicon-Woods“ im Pfälzer Wald. Kaiserslautern, wirtschaftlich nach Gelsenkirchen am meisten vom Großereignis profitierend, mutiert in der offiziellen „Media Box“ also zur „Westpfalzmetropole.“ Ja, mein Gott, wer denn sonst? Pirmasens? Zweibrücken?TOBIAS SCHÄCHTER