KÖLN – GELEGENTLICH IN DER ERSTEN LIGA
: Verschunkeltes Rio am Rhein

Köln ist „die schönste Stadt der Welt“. Wer das noch nicht ahnte, bekommt es bei jedem Stadionbesuch vom Sprecher erläutert. Zu sehen ist das nicht, denn optisch kann das platte Gemeinwesen nur die Fantasie Blinder ergötzen. Aber egal – gegen Köln können alle anderen WM-Städte nur WM- Dörfer sein. Denn dieses Colonia ist nicht nur eine Anhäufung von Frohsinnsmensch, Beton, Kunst, Geschäft und also Klüngel. Sondern „Kölle ess e Levensjeföll“ sagt man in der Stadt, in der man genauso redet wie man Bier trinkt, nämlich kölsch.

Auf jeden Fall ist „Cologne more than a city“ – so der offizielle WM-Slogan. Köln freut sich besonders auf die WM, weil in Düsseldorf nicht gespielt wird. Hi hi. Ha ha. Die blöden Düsseldörfler im Abseits, mal wieder. 1974 war es genau umgekehrt, aber das hat man in Köln vergessen.

Das Karnevalsmotto für Februar 2006 lautet „e Fastelovendsfoßballspill“: ein Karnevalsfußballspiel. Das ist sehr originell, denn so, weiß die stadttrunkene Stadt, hat Köln „als einzige WM-Stadt die Chance, ein besonderes Highlight schon im Vorfeld zu präsentieren“. Und Kölns Heilsbringer Lukas Podolski („Prinz Poldi“) könnte als Ehrenprinz fußballrunde WM-Kamellen vom Rosenmontagswagen kicken.

Die Stadt, sonst Heimat eines Gelegenheits-Erstligisten, wird sich mit brasilianischen Fußballfans füllen, die in hiesige Herbergen zu tausenden eingebucht sind. Karneval meets also Karneval – der Kölner als Brasilianer Deutschlands definiert sein Kölle schon als Rio am Rhein. Leider spielt Brasilien nicht in Köln. Dafür darf Düsseldorf neidisch sein, auf Angola, Togo und Ghana etwa. Und auf Köln-Deutz, das nicht nur Treffpunkt der Fans sein wird, sondern auch zu einer Art Openair-Showroom brasilianischer Wirtschaftsfirmen wird. Denn Köln wäre nicht Köln, wenn nicht gerade eine Karnevalsverquickung vermarktet würde. Dafür wurde die Alaaf-Schunkel-Kultur ja erfunden.

Das Kölner WM-Poster will „rheinische Fröhlichkeit, Fußballbegeisterung, Gastfreundschaft, Optimismus“ repräsentieren. Dabei kann es noch viel mehr. Die impressionistische Konfettimelange zeigt einen schwangeren Dom, der einen süßen kleinen Fußballplatz austrägt. Fußball-Kardinal Meisner, der arg verkannte Ajatollah des Christentums, weiß genau, warum er so vehement gegen die Abtreibung hetzt. BERND MÜLLENDER