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Archiv-Artikel

Gerangel vor der Ofentür

Obwohl Entsorger weiterhin Engpässe bei der Müllverbrennung beklagen, sind BUND und Umweltministerium gegen neue Anlagen. Stattdessen soll weniger Abfall importiert werden

VON GESA SCHÖLGENS

In Sachen Müll machen der Bund für Umwelt und Naturschutz NRW (BUND) und die schwarz-gelbe Landesregierung gemeinsame Sache: Sie lehnen den Ausbau der Müllverbrennungsanlagen (MVA) in NRW ab. „Die Kapazitäten für die Müllverbrennung sind ausreichend“, sagen sowohl Umweltministeriumssprecher Markus Fliege als auch BUND-Geschäftsführer Dirk Jansen.

„NRW droht, Müllkorb der Nation zu werden“, sagt Jansen. Die Abfallbranche rede einen Notstand herbei, um die Akzeptanz für die Müllverbrennung zu schaffen. Immer noch werde viel Müll aus anderen Bundesländern akquiriert.

NRW-Umweltminister Eckhard Uhlenberg (CDU) hat deshalb im September 2005 mit den Betreibern der 16 MVAs eine Abmachung getroffen, nach der die Entsorgung des Hausmülls aus Nordrhein-Westfalen Priorität hat. Bei freien Kapazitäten können die Anlagen Gewerbemüll aus NRW und Abfälle aus anderen Bundesländern annehmen. Erst danach dürften sie Verträge mit den Nachbarländern schließen. Abfall aus anderen europäischen Staaten darf nur verbrannt werden, wenn dort ein Müllnotstand nachgewiesen wird. „Durch die verbesserte Auslastung der MVAs werden auch die Abfallgebühren sinken“, so Markus Fliege.

Die Abfallbranche sieht das freilich anders. Weil seit Juni 2005 bundesweit ein Deponieverbot für unbehandelten Restmüll besteht, „gibt es einen Engpass von zwei Millionen Tonnen Müll“, sagt Peter-Olaf Hoffmann, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der nordrhein-westfälischen Verbrennungsanlagen. In NRW wollen deshalb mindestens drei MVAs aufrüsten. Eine neue Anlage für Gewerbeabfälle in Herten soll 2008 in Betrieb gehen (taz berichtete). „Wir müssen nur noch die Finanzierung sicherstellen“, so eine Sprecherin der Abfallgesellschaft Ruhrgebiet (AGR). Das Problem: Eine österreichische Bank hatte für zweistellige Millionenkredite eine Bürgschaft des AGR-Eigentümers Regionalverbandes Ruhr (RVR) gefordert. Dies hatte das NRW-Innenministerium aber verboten. Nun ist die Finanzierung gefährdet. Auch im Müllheizkraftwerk Leverkusen sind momentan 50.000 Tonnen Zusatzkapazität im Gespräch, die Erweiterung muss aber noch von den Eigentümern abgesegnet werden. Sobald sie eine Genehmigung bekommen, wollen auch die Betreiber der Gemeinschafts-Müll-Verbrennungsanlage Niederrhein (GMVA) in Oberhausen bis Mai 2006 mit einem neuen Kessel ihren Heizwert erhöhen und damit 100.000 Tonnen mehr Hausmüll verbrennen. So könnte die NRW-Abfallbranche ihre Brennstufen bis zum Jahr 2008 um rund 500.000 Tonnen pro Jahr erweitern, sagt Hoffmann. Bundesweit könnten es 2,8 Millionen Tonnen sein.

Momentan ist die Auslastung der MVAs hoch. „Sie muss aber auch mindestens 80 Prozent betragen, damit die Verbraucher nicht draufzahlen“, so Jörg Lacher, Sprecher des Bundesverbands Sekundärrohstoffe und Entsorgung (BVSE) in Bonn. Wie Umweltschützer und Ministerium sieht der BVSE die Gefahr, dass in einigen Jahren wieder Unterkapazitäten entstehen könnten.

Im Augenblick sei zwar der Bedarf größer als das Angebot: „Aber wie sich der Markt für Gewerbemüll entwickelt, bleibt spannend“, meint Kyra Dreher, Geschäftsführerin der Interessengemeinschaft der thermischen Abfallbehandlungsanlagen (ITAD). Und für den Ausbau der Müllöfen seien nicht nur aufwändige Genehmigungen nötig, „auch die Investitionssicherheit spielt eine Rolle“, sagt Dreher – es müsse dauerhaft genügend Müll auf dem Markt sein.

Importiert wurde der Abfall bislang aus den Niederlanden und Italien. Experten gehen davon aus, dass die Importe durch die bessere Auslastung weiter abnehmen. In den Niederlanden gibt es seit einigen Jahren eine „Deponiesteuer“. Deswegen wurden 2003 und 2004 etwa zwei Millionen Tonnen Müll exportiert, so Dirk Jansen. Inzwischen lohne sich das Geschäft nicht mehr: Die gestiegenen Verbrennungskosten und die langen Transportwege machten es unrentabel.