: Familienfreundliches Bayern
VETTERNWIRTSCHAFT Jeder fünfte CSU-Abgeordnete im Landtag hat Ehepartner oder Kinder auf seiner Gehaltsliste – bezahlt aus Steuergeldern. SPD konstatiert: „meterdicker Filz“
GEORG WINTER, CSU, ÜBER DIE JOBS FÜR SEINE HALBWÜCHSIGEN SÖHNE
VON PAUL WRUSCH
BERLIN taz | Die Söhne kümmern sich um die Computer im Büro, die Frau macht am Mittwoch Telefondienst. Dafür gibt’s dann mal 400 Euro, mal mehr. Bezahlt aus öffentlichen Geldern. Bayern – Land der Familienfreundlichkeit. Insgesamt 17 Abgeordnete im Landtag beschäftigen Verwandte ersten Grades: Ehefrauen, Ehemänner, Töchter und Söhne. Alle sind in der CSU.
Dass Parlamentarier ihre Partner oder Kinder als Mitarbeiter aus Steuergeldern bezahlen, ist im Bundestag sowie in allen anderen Landesparlamenten verboten.
Ans Licht kam diese bayerische Vetternwirtschaft durch den Verfassungsrechtler Hans Herbert von Arnim. In seinem neuen Buch „Die Selbstbediener“ zeigte er auf, dass Bayerns Politiker mehr als alle andern verdienen. Am Rande erwähnte er auch, dass aufgrund einer Ausnahmeregelung bayerische Landtagsabgeordnete noch heute enge Verwandte beschäftigen.
Seit 2000 ist dies Parlamentariern eigentlich verboten. Doch der Landtag gestattete es ihnen damals, bestehende Beschäftigungsverhältnisse auf unbestimmte Zeit fortzuführen. Diese Altfälle sind jetzt durch die Buchveröffentlichung in den Fokus gerückt.
Unter den 17 Abgeordneten finden sich zahlreiche CSU-Größen und Kabinettsmitglieder. Etwa Kultusminister Ludwig Spaenle. Seine Frau bekam bislang 1.000 Euro im Monat für ihre Mitarbeit im Büro – 19 lange Jahre. Jetzt kündigte er an, ihr zum Ende des Monats zu kündigen. Einen Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung sieht er nicht. „Das läuft jetzt einfach aus“, erklärte er am Freitag.
Der bayerische Landtag gab am Freitag eine Liste mit den Namen der 17 Abgeordneten heraus, die Ehepartner oder Kinder im Jahr 2012 beschäftigten. Darunter sind zwei weitere Kabinettsmitglieder: Franz Pschierer (Finanzstaatssekretär) und Gerhard Eck (Innenstaatssekretär). Eck erklärte gegenüber der Süddeutschen Zeitung, er beschäftige seine Frau für Überbrückungs- und Aushilfstätigkeiten. Dafür bekomme sie etwa 750 Euro netto im Monat. Auch CSU-Fraktionschef Georg Schmid bestätigte, dass seine Frau als eine von vier Angestellten im Büro arbeite. Wie viel sie verdient, wollte er nicht öffentlich machen.
In Bayern stehen den Abgeordneten neben ihren Diäten von 7.244 Euro und einer Kostenpauschale von 3.282 Euro weitere 7.524 Euro monatlich zur Verfügung, die sie für ihr Personal ausgeben können. Rechenschaft müssen sie darüber nicht ablegen.
Heraus sticht ein weiterer Fall: Georg Winter, Chef des Haushaltsausschusses. Seine Ehefrau sowie beide Söhne arbeiteten für ihn. Die Frau betreute seit 1990 das Telefon an jedem Mittwoch, dafür bekam sie 400 Euro monatlich. „Sie ist im Urlaub eingesprungen und am Abend“, sagte Winter der taz. Auffälliger ist, dass seine beiden Söhne bis Ende 2012 ebenfalls öffentliche Gelder bekamen – rund 200 Euro im Monat, weil sie sich um die Computer kümmerten. Winter hatte sie im Dezember 2000, bevor das Verbot in Kraft trat, noch schnell als Mitarbeiter angemeldet, damals waren sie 13 und 14. Eigenartig findet er daran nichts. „Ich habe mit drei angefangen zu arbeiten, in der Landwirtschaft“, erklärte er.
Heftige Kritik an der bayerischen Vetternwirtschaft kommt von der SPD. „Die CSU-Abgeordneten beschädigen damit den Ruf der Politik insgesamt“, sagte SPD-Fraktionschef Markus Rinderspacher der taz. „Die Fälle zeigen, dass die demokratische Hygiene in der CSU nicht funktioniert. Die Partei regiert seit 56 Jahren in Bayern und der Filz ist meterdick und unüberschaubar“, so Rinderspacher.
Auch Hans Herbert von Arnim, dessen Buch die Debatte angestoßen hatte, sieht die Fälle kritisch. „Vetternwirtschaft ist seit Alters her anrüchig, hat schon immer ein Geschmäckle“, sagte er der taz. Es werfe ein ganz schlechtes Licht auf auf die bayerische Politikfinanzierung, wenn es in Bayern offiziell erlaubt sei.
CSU-Parteichef Horst Seehofer wurde jetzt von den öffentlichen Debatte in Bayern im Jahr der Landtagswahl aufgeschreckt. Gegenüber der SZ erklärte er: „Mir war das bislang unbekannt“. Nun will er diese Art der Familienversorgung abschaffen. Sie sei gegenüber der Öffentlichkeit nicht mehr begründbar.