: Wie fühlt die Fledermaus?
HYPE Die Hirnforschung sei überbewertet, sagt Felix Hasler. Wir ließen uns von bunten Computerbildern zu sehr blenden. Und wüssten trotzdem nicht mehr
VON TIMO STUKENBERG
Moral, Ästhetik, Liebe – all das versuchen uns die Hirnforscher zu erklären. Der Pharmakologe Felix Hasler von der Berlin School of Mind and Brain hat da so seine Zweifel. „In der Hirnforschung kann man viel ungestraft behaupten“, sagt er auf dem taz.lab. Die empirischen Daten belegten hingegen nur selten, was als bahnbrechende Erkenntnis verkauft wird.
Gegenwind von Sozialwissenschaftlern sind Neurowissenschaftler gewohnt. Nach jahrelanger Euphorie zweifeln sie nun aber auch selbst. Eine Studie, die kürzlich in der renommierten Fachzeitschrift Nature Reviews Neuroscience veröffentlicht wurde, zeigt: Nur jedes fünfte Ergebnis lässt sich tatsächlich belegen.
Ein miserables Ergebnis.
Echte Erfolge erzielt die Hirnforschung hingegen auf dem Buchmarkt. Wie trainiere ich das Gehirn meines Babys? Was sagt uns Buddhas Gehirnstruktur? Die Neurowissenschaft weiß es – oder behauptet es zumindest.
Auch in den Medien wird die Hirnforschung immer häufiger aufgegriffen. Ein besonders absurdes Beispiel dafür hat Pharmakologe Hasler in der Schweizer Boulevardzeitung 20 Minuten gefunden. Unter dem Titel „Hirnscanner entlarvt Rassisten“ stellte die Zeitung die neuesten Ergebnisse einer Studie vor. Darunter ein Bild protestierender Neonazis. „Brauchen wir wirklich einen Hirnscanner, um Rassisten zu erkennen?“, fragt Hasler.
Ein Grund für die überhöhte Bedeutung liege in den Verfahren wie der Magnetresonanztomografie (MRT), sagt Hasler. „Die Hirnforschung wäre ohne bildgebende Verfahren nie so ein Hype geworden.“ Nur: Bunte Bilder von Gehirnaktivitäten suggerierten eine Exaktheit, von der die Verfahren weit entfernt seien. Statt das Geschehen exakt abzubilden wie ein Foto, arbeitet zum Beispiel die MRT mit statistischen Berechnungen – die von vorher getroffenen Annahmen abhängen.
Dennoch hätten gerade erst die EU und die USA ein Wettrüsten um Forschungsgelder für die Hirnforschung gestartet. Es gehe um Beträge in Milliardenhöhe. Welche Forschungsfragen sinnvoll sind und welche nicht, rücke dabei in den Hintergrund.
Haslers Vortrag spielt auf die neurowissenschaftliche Forschungswut schon im Titel seines Vortrags an: „Was würde die Fledermaus denken?“ Wer herausfinden wolle, wie eine Fledermaus fühlt, könne gern das komplette Fledermaus-Gehirn untersuchen, sagt der Pharmakologe. Wie sich die Fledermaus fühlt, wisse er trotzdem nicht.