: Funsport erledigt Natur
„Zeitgemäße Attraktionen“ sollen die Touristen in den Harz locken, denen Wälder und lauschige Bergwiesen nicht reichen. Naturschutzgesetze stören dabei nur – und werden gerne mal umgangen
von Eiken Bruhn
Golfspieler oder Wanderer, Skifahrer oder Naturliebhaber, Funsportler oder ruhebedürftige Senioren – im Harz streiten Politiker und Naturschützer seit Jahren um das beste Tourismuskonzept, das der strukturschwachen Region auf die Füße hilft. Aktueller Stein des Anstoßes ist ein nicht genehmigtes Bauvorhaben in einem Naturschutzgebiet am Wurmberg bei Braunlage. Die Betreiber der Anlage für „Monsterroller“ – besonders große Tretroller – erweiterten diese ohne Erlaubnis der Naturschutzbehörde, die die Strecke jetzt „im Nachhinein legalisieren“ will, so eine Behördenmitarbeiterin.
Für Heinz Severitt von der Goslarer Bürgerinitiative Umweltschutz ist dieser Vorgang kein einmaliges Kavaliersdelikt, sondern Symptom einer systematischen Vernachlässigung des Naturschutzes zugunsten wirtschaftlicher Interessen. „Die Leute sagen sich doch, warum sollen wir denn überhaupt noch die Behörden einschalten, die genehmigen ja ohnehin alles, im Zweifelsfall halt hinterher.“ Als weitere Beispiele nennt er Ski-Loipen, Sommer-Skibahnen und eine vom Land Niedersachsen geförderte Galopprennbahn mit angeschlossenem Golfplatz bei Bad Harzburg. Verschärft würde die Situation laut Severitt dadurch, dass durch die Abschaffung der Bezirksregierungen vor einem Jahr keine unabhängige Verwaltung mehr auf den Naturschutz achten würde, sondern die Landkreise. „Die stehen aber unter massivem politischem Druck der Kreistagspolitiker und des Landrates.“ Der Grund: Diese seien mit den lokalen Unternehmen stark verbunden, wenn sie nicht sogar selbst eins führen.
Hubertus Köhler, Fraktionsvorsitzender der CDU im Goslarer Kreistag, hält die von Severitt kritisierten Projekte hingegen für sinnvoll. Zwar sei beim Ausbau der Monsterroller-Strecke – den er als Leiter des zuständigen Forstamtes hätte genehmigen müssen – „etwas schief gelaufen“, aber prinzipiell stehe er hinter dem Vorhaben. Auch den Golfplatz – den Naturschützer und Grüne als schwerwiegenden Eingriff in eine einmalige Kulturlandschaft kritisieren – verteidigt er. Er komme dem „gehobenen Tourismus“ entgegen.
Der Kandidat für die nächsten Landratswahlen glaubt, dass der Harz „zeitgemäße Attraktionen“ brauche, um wirtschaftlich zu überleben. Daher setzt er sich auch dafür ein, den Wurmberg nicht mehr als Naturschutzgebiet auszuweisen, um dort weitere Freizeitanlagen bauen zu können. „Wir schaffen es nicht, mit den bestehenden Angeboten genügend Touristen in den Harz zu holen“, sagt Köhler. Seit Jahren gingen die Übernachtungszahlen zurück. Seine Schlussfolgerung: „Die Klientel Wanderer reicht nicht aus.“
Heinz Severitt sieht das anders. Im Harz würde zu viel Wert auf kostenintensive Prestigeobjekte gelegt, die sich letztendlich nicht tragen würden. „Hier will doch jeder Ort seinen eigenen Golfplatz und seine eigene Eishalle haben, das bringt es doch nicht.“ Er schlägt vor, auf junge Familien mit Kindern zu setzen und bildungstouristische Angebote auszubauen. Andernfalls sei zu befürchten, dass diejenigen, die wegen der Natur in den Harz kommen, sich gestört fühlen und weg bleiben.
Das wiederum will auch der CDU-Mann Köhler nicht. Doch eine Strategie, wie der sanfte Tourismus in der Region gefördert werden könne, hat er offenbar nicht. Als Beispiele nennt er den Wanderweg „Hexenstieg“ – und Mountainbikestrecken.