LESERINNENBRIEFE :
Eine dunkle Ecke
■ betr.: „Danys olle Kamellen“, taz vom 17. 4. 13
Die Selbstreflexion mit der eigenen Vergangenheit ist möglich, solange es keine alters- oder krankheitsbedingten Einschränkungen verhindern. Es ist dabei sicherlich nicht immer leicht, seine eigenen dunklen Seiten zu beleuchten. Die eigene Haltung zu Sexualität von und gegebenenfalls mit Kindern, zu sexuellen Übergriffen ist sicherlich eine solche dunkle Ecke. Die Verantwortung für das eigene Handeln sollte allerdings nicht nur dadurch forciert oder legitimiert werden, dass es ZeugInnen oder gar Anklagen gibt. Daniel Cohn-Bendit sollte daher die ihm gegebene Chance ergreifen.
Auch das Komitee zur Verleihung des renommierten Gustav-Heinemann-Preises täte gut daran, sich der Kritik an Cohn-Bendits pädagogischer Verantwortung in jungen Jahren zu stellen. Eine solche Reflexion würde sicherlich dem Thema einen neuen, innovativen Schub und Glaubwürdigkeit verleiten. Nur Mut, es ist nicht zu spät.
Courage und Mut hat auch Andreas Voßkuhle bewiesen.
KARIN SCHÜLER, Bonn
Keine Hinweise auf Übergriffe
■ betr.: „Danys olle Kamellen“, taz vom 17. 4. 13
Mit Empörung muss ich feststellen, dass nun sogar in der taz ein Artikel von Christian Füller erschienen ist, in dem Daniel Cohn-Bendit in die Nähe pädophiler Täter gerückt wird. Ich dachte, wir hätten als betroffene Eltern aus der Uni-Kita (gemeinsam mit Eltern aus einer späteren Krabbelstube) in einem offenen Brief im Jahre 2001 den Sachverhalt ausreichend aufgeklärt.
Die Äußerungen in dem Buch waren eine Fiktion und Provokation, sie sollten schockieren. Wir haben in dem Brief damals schon erklärt, dass sie im Zeitkontext gesehen werden müssen. Sie sind und waren jedoch keine Beschreibung realer Vorkommnisse in der Kita. Weder die Eltern, mit denen ich noch heute befreundet bin, noch deren Kinder, einschließlich meines Sohnes, haben jemals Dinge berichtet, die auf sexuelle Übergriffe hindeuteten. Die Uni-Kita war sehr öffentlich, und jede kleinste Begebenheit wurde intensiv diskutiert. Daher sind wir in dieser Frage absolut sicher.
Auch unsere Kinder, die sich noch gut an ihre Kitazeit und an Herrn Cohn-Bendit als Betreuer erinnern können, sehen das genauso. Viele davon sind heute noch befreundet, sie sind selbst Eltern und erinnern sich gerne an diese Lebensphase.
Ich vermisse bei diesem Journalismus die gründliche Recherche bei den Kita-Kindern und ihren Eltern. HEIDI ULMKE, München
Schlimmer Shitstorm
■ betr.: „Danys olle Kamellen“, taz vom 17. 4. 13
Ich bin ja schon erstaunt über den Ton, den Herr Füller in seinem Artikel anschlägt: Herr Füller, was verhandeln Sie da eigentlich ? Ich gebe Ihnen vollkommen recht, was die unsäglichen „Stellen“ (im Übrigen weitgehend bekannt und vom Autor doch wohl auch selbst als unerträglich eitle und gefährliche Provokation bedauert) im „Großen Basar“ betrifft. Aber was soll die Vermischung mit der Intervention Dany Cohn-Bendits bei der Debatte um die Sexualität unter Schülern in den Achtzigern?
Wir befinden uns gesellschaftlich in einem gefährlichen Roll-Back, sei es im Zusammenhang mit schwul-lesbischen Lebensgemeinschaften, dem Betreuungsgeld oder dem Verschieben der Frauenquoten auf den Fast-Sankt-Nimmerleins-Tag – und jetzt zeichnet ein taz-Journalist verantwortlich für einen Artikel, der an Rufmord grenzt, indem er (in übrigens unerträglicher, sehr nach männlichem Konkurrenzgebaren riechender Kriegsrhetorik) dem „donnernden“ Dany in diesem Zusammenhang ein „kriegsentscheidendes“ Wort zuschreibt und ihm damit indirekt eine Mitschuld an dem sich in der Odenwaldschule entwickelnden Päderasten-Ring zuschreibt. Schlimmer Shitstorm, so etwas! MARGARETE GLÄSER, Hamburg
Solidarität mit Dany
■ betr.: „Danys olle Kamellen“, taz vom 17. 4. 13
Mit meinen Zeilen möchte ich meine Solidarität mit Dany aussprechen, aber auch jenseits von Denktabus die Frage stellen, was kann ein angemessener Umgang zwischen Kind und Erwachsenem hinsichtlich Sexualität sein.
Ich schreibe nicht darüber, dass Erwachsene ihre Sexualität auf Kinder ausrichten, mit Kindern ausleben; das ist ein anderes Thema. Aber ich habe den Eindruck, dass dem Tabu „Pädophilie“ eine Auseinandersetzung damit zum Opfer fällt, wie gehe ich damit um, wenn ich als Erwachsener Adressat kindlicher Sexualität und/oder Neugier werde, und ich vermute, um nichts anderes ging es bei Dany.
Für eine Statistik ist die Zahl der Kinder, die antiautoritäre Kinderläden besucht haben, sicher zu klein. Trotzdem wäre die Frage zu stellen, haben sie den Eindruck, dass die Entwicklung ihrer Sexualität Schaden genommen hat, oder fanden sie, dass es die Entwicklung ihrer Sexualität gefördert hat.
Und die Frage, die sich heute nicht beantworten lässt: Wie entwickelt sich die kindliche Sexualität, wenn Kinder von Erwachsenen aus Angst, in die Nähe von Pädophilie gestellt zu werden, asexuell gesehen und behandelt werden.
Im taz-Artikel „Kuscheln mit den Indianern“ vom 22. 4. 10 wird Christian Ströbele zitiert, „dabei sei gelegentlich das Pendel zu weit an den Rand ausgeschlagen“. Wenn ich mir die Kommentare dazu durchlese, befürchte ich, dass es jetzt zu weit nach der anderen Seite ausgeschlagen ist. Aber das betrifft ja nicht nur die Sexualität.
KLAUS SCHWERDTFEGER, Wartenberg