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Archiv-Artikel

Schiff mit illegaler Ladung

Ostfriesische Reederei sitzt wegen blinder Passagiere in Venedig fest. Wie üblich stellen sich die Behörden quer

12 blinde Passagiere schipperte ein Frachter der Leeraner Reederei Nimmrich & Prahm über das Mittelmeer – bis sie vergangene Woche in Venedig im Hafen entdeckt wurden. Seit Donnerstag liegt das Schiff jetzt dort fest, weil die italienischen Behörden einen Transport zum Flughafen verweigern. Gestern war bis Redaktionsschluss offen, wann das Schiff wieder auslaufen kann und die Odyssee der vermutlich kurdischen Flüchtlinge ein Ende hat.

Das Drama ist kein Einzelfall, Behörden weigern sich regelmäßig, blinde Passagiere an Land zu lassen und schieben den Schiffseigentümern die Verantwortung in die Schuhe, beklagen Flüchtlingsinitiativen und Reedereien gleichermaßen. Im vergangenen Jahr etwa durften 13 Kurden wochenlang einen deutschen Frachter nicht verlassen, bis Italien sie als Asylbewerber akzeptierte. Häufig komme es aber gar nicht so weit, dass die Entdeckten überhaupt Asyl beantragen könnten, kritisiert die Hamburger Journalistin Marily Stroux, Autorin des Buchs „Blinde Passagiere“. So würden die Flüchtlinge in Deutschland von der Wasserschutzpolizei gefragt, ob sie Arbeit suchten – wer das bejaht, gilt nicht als politischer Flüchtling und wird zurückgeschickt. Doch in der Regel haben sie keine Papiere, und es ist nicht klar, in welches Land sie abgeschoben werden können. Da Häfen einen Sonderstatus haben, verwehren die Behörden die Aufnahme. Da die Kapitäne aber den Hafen aus Kostengründen wieder verlassen wollen, um das nächste Ziel anzusteuern, werden die Migranten notgedrungen wieder mitgenommen.

Im aktuellen Fall in Venedig sei das nicht möglich gewesen, sagt Max Johns, Sprecher des Verbands deutscher Reeder mit Sitz in Hamburg. „Da waren mehr blinde Passagiere an Bord als Besatzung.“ Aus Sicht der Reedereien ist das Problem vor allem ein finanzielles: Sie müssen für den Rücktransport und alle weiteren Kosten aufkommen, sind allerdings in der Regel dagegen versichert. Dennoch fordert der Verband eine bessere Kooperation der Behörden. Es sei weder der Besatzung noch den Flüchtlingen zuzumuten, dass sie im Extremfall wochen- oder monatelang an Bord bleiben müssen, bis sich ein Land findet, das sie aufnimmt, sagt Johns. Jährlich würden weltweit etwa 500 Fälle bekannt, in denen Menschen versuchen als blinde Passagiere in ein anderes Land, in der Regel in Westeuropa, zu gelangen, so Johns. Betroffen seien 2.000 Personen. Seiner Einschätzung nach geht die Zahl zurück, da seit Juli 2004 in Häfen verschärfte Sicherheitsbestimmungen gelten.

Die 12 Flüchtlinge aus Venedig hätten aber kaum entdeckt werden können, da sie sich in einem Container versteckt hatten. Der Frachter hatte in der Türkei und in Syrien Ladung an Bord genommen. Wahrscheinlich werden sie in die Türkei geflogen. Nach Auskunft von italienischen Behörden sollen sie kein Asyl beantragt haben. Eiken Bruhn