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Archiv-Artikel

Unsozial und unbeglaubigt

Damit Hartz-IV-Empfängern die 17 Euro Rundfunkgebühr erlassen werden, müssen sie alle paar Monate neue Anträge stellen und beglaubigte Kopien ihrer Bescheide seitenweise teuer bezahlen. Arge und GEZ schieben sich das Problem gegenseitig zu

„Im Ortsamt hieß es, das sei gar nichts. Andere hätten 16 Seiten zu kopieren“„Dass die ALG-Bescheide so kurz gültig sind, hat uns selbst überrascht“

Von Kaija Kutter

Am härtesten treffen die Neuerungen bei der Rundfunkgebühr Rentner und Geringverdienende. Konnten diese bislang noch beim Sozialamt den Erlass der monatlichen 17 Euro Rundfunkgebühr beantragen, wenn sie nur den anderthalbfachen Sozialhilfesatz zum Leben hatten, so entfällt dies mit dem 8. Rundfunkgebührenstaatsvertrag.

Menschen, die von Arbeitslosengeld II leben, wie die 59-jährige Lilly Franz aus Eidelstedt, haben zwar weiter die Chance auf Befreiung, müssen dafür aber neue Hürden nehmen. „Was die von mir verlangen, kostet Nerven, Zeit und Geld. Und zwar Geld, das ich nicht habe“, sagt die frühere Sachbearbeiterin, die nur 30 Euro pro Woche für LeGE bensmittel zur Verfügung hat.

Ihre alte Gebührenbefreiung war noch für drei Jahre gültig und läuft am 28. Februar aus. Als Franz im Dezember im Ortsamt Stellingen nachhakte, bekam sie einen Merkzettel in die Hand gedrückt: „Ich soll meinen gesamten ALG-II-Bescheid Seite für Seite beglaubigt kopieren und dann an die GEZ nach Köln schicken“, berichtet Franz.

Doch die Beglaubigung einer Kopie kostet einen Euro, ihr Bescheid hat sechs Seiten. „Als ich das im Ortsamt erklärte, hieß es, das sei gar nichts. Andere hätten 16 Seiten zu kopieren.“ Zusammen mit den erneuten Fahrtkosten zum Ortsamt und Porto koste sie die Gebührenbefreiung 20 Euro. Nur gilt die dann nicht mehr für drei Jahre, sondern nur so lange wie ihr ALG-Bescheid, also rund drei Monate. Zudem sorgt sich Lilly Franz, dass sie den Antrag zu spät abschickt, weil der ALG-Bescheid erst Ende Februar kommt. Geht der erst im März in Köln ein, muss sie für diesen Monat zahlen, weil es keine rückwirkende Befreiung gibt. Auch muss sie dann auf den an die GEZ gekoppelten Sozialtarif der Telecom verzichten.

„Die Leute haben Rennerei ohne Ende, nur wegen der GEZ“, klagt Sozialberaterin Morasah Mazloumsaki-Schütt vom Kinder- und Familienzentrum in Schnelsen. Keine andere Institution verlange beglaubigte Kopien. Allein an diesem Montag habe sie sechs Familien mit GEZ-Sorgen beraten. Eine Familie hatte die Befreiung für Januar verwirkt, weil sie den ALG-Bescheid vom Vormonat geschickt hatte. Auch die acht Euro für die Kopien sind damit in den Sand gesetzt.

Willi Rees von der GEZ in Köln will sein Haus nicht als „Monster“ dargestellt wissen. Schließlich sei es ein Beschluss der Ministerpräsidenten vom Herbst 2004, mit dem neuen Staatsvertrag auch die Befreiungsregelungen zu ändern. Im Zuge dessen habe die GEZ die Aufgabe erhalten, die Befreiungen zu bearbeiten. Rees: „Dass die ALG-Bescheide so kurz gültig sind, hat uns selbst überrascht.“ Allein für die Bearbeitung habe man 120 Mitarbeiter einstellen müssen.

Die GEZ biete den Betroffenen jedoch praktische Lösungen an. So könne ein Antrag schon vorab gestellt werden mit dem Hinweis, dass der ALG-Bescheid nachgereicht werde. Und statt teurer beglaubigter Kopien reichten auch normale Kopien, wenn die ausstellende Behörde deren Echtheit mit einem Stempel auf dem Antrag garantiere.

Das wäre in Hamburg die Arge, doch deren Sprecher Uwe Ihnen winkt ab: „Das verlagert nur den Aufwand auf uns.“ Wenn einer darum bitte, werde man ihm „im Sinne einer Kundenorientierung“ den Stempel geben. Die Arge weise aber den Vorschlag der GEZ „grundsätzlich“ zurück und versuche nun, mit den Kölnern eine Lösung zu finden, die „kein höheres Kundenaufkommen“ beschert. Die Arge selbst akzeptiere zudem viele Belege, ohne sie beglaubigen zu lassen.

Lilly Franz halfen die Vorschläge bislang nicht. „Mir hat der GEZ-Berater am Telefon gesagt, ich dürfe den Antrag erst abschicken, wenn der Bescheid da ist.“ Und einen Gratisstempel vom Hartz-IV-Amt habe sie auch nicht bekommen. „Da hieß es nur: Wir haben keine Zeit.“