: Schüssel Cello, Rice Klavier
Angesichts des Tamtams um seine Person verdreht das Genie nur noch die Augen: Wie Österreich dieses Jahr den 250. Geburtstag von Wolfgang Amadeus Mozart feiert
Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel ist ein passionierter Hobbycellist. US-Außenministerin Condoleezza Rice spielt Klavier. Was läge näher, wenn die beiden bei ihrem Treffen in Salzburg am 27. Januar, Mozarts 250. Geburtstag, gemeinsam die „Kleine Nachtmusik“ spielten oder sonst einen auch in den USA geläufigen Gassenhauer aus dem üppigen Opus des Gefeierten? So könnte man elegant das für beide unangenehme Thema der CIA-Flüge und der mutmaßlichen Folterlager in Europa umschiffen, das auf der internationalen Konferenz „Sound of Europe“ sowieso nicht auf der Tagesordnung steht. Bisher ist dieses Konzert nur ein Gerücht. Aber es entspricht einer alten österreichischen Tradition, Kultur und Diplomatie zu verweben – zum Vorteil des eigenen Landes. Und in ihrem Hang zur Inszenierung hat die Regierung Schüssel durchaus neue Maßstäbe gesetzt.
So trifft es sich wie eine Fügung des Schicksals, dass Österreichs EU-Ratspräsidentschaft und der Beginn des Mozartjahres zusammenfallen. Ein Sonderbudget von 150 Millionen Euro wurde bereitgestellt, für „die größte Geburtstagsparty der Musikgeschichte“, so das Nachrichtenmagazin Profil. Mit Mozartfeiern landauf, landab wird den großen Nachbarn bedeutet, wo das musikalische Genie aus Salzburg hingehört. Dass Wolfgang Amadeus Mozart vor wenigen Jahren auf einer Liste des ZDF unter die bedeutendsten Deutschen gereiht wurde, galt in Österreich als unerhörte Dreistigkeit. Der Streit um die Zugehörigkeit geht aber wohl unentschieden aus. Wolfgang Amadeus war Bürger des Erzbistums Salzburg, das von einem Fürsterzbischof regiert wurde und ebenso zum Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation gehörte wie Preußen oder Österreich, was diese bekanntlich nicht daran hinderte, gegeneinander Krieg zu führen.
Auch mit einem weiteren Mythos wurde aufgeräumt. Wolfgang Amadeus hieß gar nicht so, sondern wurde auf den Namen Johannes Chrysostomus Wolfgang Gottlieb Mozart getauft. Aus Gottlieb machte der Komponist für seine Auftritte in Italien Amadeo. Doch Wolfgang Amadeus ist eine Schöpfung seiner Witwe Constanze, die sich bei der Vermarktung des Nachlasses als äußerst geschäftstüchtig erwies. Wie Mozart tatsächlich ausgesehen hat, weiß heute niemand. Das auf der Verpackungsfolie der Mozartkugel millionenfach reproduzierte Porträt mit der weißen Rokokoperücke ist mit Sicherheit geschönt. Der Mann litt zeitlebens unter seinen Pockennarben und der überproportional großen Nase.
Auf einer künstlerisch angepassten Version dieses Porträts verdreht der große Sohn die Augen ob all des Tamtams, das heuer um seine Person gemacht wird. Nicht nur beim Bäcker gibt es Mozartzöpfe, ein Fleischhauer hat nun auch den Mozartschinken kreiert.
Musikalisch begann das Mozartjahr mit dem traditionellen Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker, wo der lettische Dirigent Mariss Jansons neben den flotten Melodien der Strauss-Dynastie ausnahmsweise die Ouvertüre zu Mozarts „Hochzeit des Figaro“ aufs Programm gesetzt hatte. Ganz im Zeichen des Jahresregenten stehen naturgemäß die Salzburger Festspiele, wo zwischen 21. Juli und 31. August nicht nur die sieben Opern, sondern auch sämtliche Singspiele, insgesamt 22 musiktheatralische Werke, an teilweise authentischen Mozart-Spielorten aufgeführt werden sollen.
Wien, wo das Wunderkind seine letzten Lebensjahre verbrachte, will da nicht zurückstehen. Das Theater an der Wien, wo in Mozarts Todesjahr 1791 „Die Zauberflöte“ zur triumphalen Uraufführung kam, wird ab heuer von der Musicalbühne wieder zum Opernhaus, das sich speziell den Mozart’schen Werken widmen will. Und das Haus in der Domgasse, wo der Komponist von 1784 bis 1787 mit seiner Frau Constanze, seinen Kindern, seinem Hund Gauckerl und seinem Vogel lebte, wurde angemessen renoviert und für den erwarteten Besucherstrom fit gemacht.
Streichquartette werden in Altersheimen, Fußgängerzonen und U-Bahn-Passagen für Dauerbeschallung sorgen. Da kann auch die Wissenschaft nicht zurückstehen. So kündigte die Stadt Wien hochkarätige Vorlesungen im Rathaus an, wo angesichts von Themen wie „Mozart – Ikone des modernen Individualismus“ mit neuen Erkenntnissen der Mozartforschung gerechnet werden muss.
RALF LEONHARD