piwik no script img

Archiv-Artikel

Belgrads Angriff auf den Milliardär

In einer Blitzaktion verstaatlicht Serbiens Regierung eines der größten Privatunternehmen. Dessen Besitzer, der Milliardär und einstige Günstling von Ex-Staatschef Slobodan Milošević, Bogoljub Karić, ist jetzt erst einmal abgetaucht

Die Causa Mobtel kann auch als Abrechnung mit der Opposition gedeutet werden

BELGRAD taz ■ Kurz vor Silvester schlug die Nachricht in Belgrad wie eine Bombe ein: Die serbische Regierung hatte entschieden, dem ersten serbischen Mobilfunkbetreiber „Mobtel“ die Lizenz zu entziehen. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion drang die Polizei in das Verwaltungsgebäude der Mobtel ein, die Post verfügte eine Zwangsverwaltung, und eines der größten privaten serbischen Unternehmen wurde kurzerhand verstaatlicht. So beendete der Staat das jahrelange juristische Tauziehen mit Mobtel und begann mit einem der reichsten Männer auf dem Balkan, dem serbischen Milliardär Bogoljub Karić, abzurechnen.

Karić hatte seinerzeit vom Generalstab die militärische Frequenz für seinen TV-Sender „BK“ (Brüder Karić) und vor elf Jahren vom „Hausfreund“ Milošević die Mobilfunklizenz für Mobtel ohne öffentliche Ausschreibung erhalten. Als Mitgründer bekam der Staat jedoch bisher keinen Cent, auch nicht nach der Wende 2000: Karić’ „Cash-Maschine“ vermeldete schlicht Verluste.

Gleichzeitig flossen an Mitglieder des Familienclans Einkommen in Millionenhöhe. 57 Firmen, die direkt oder indirekt Karić gehören, verzeichneten aufgrund von Verträgen, die für Mobtel äußerst ungünstig waren, riesige Gewinne. Ein effizientes Modell, wie sich herausstellte. Zumal Karić so einige Richter in der Tasche hätte, wie Finanzminister Mladjen Dinkić behauptet: Ein halbes Dutzend Mal wies das Handelsgericht die Klagen des Staates ab.

Karić ist für viele ein „Symbol der Räuberwirtschaft“ während der Machtära des serbischen Diktators Slobodan Milošević. Er verkörpert die Neureichen und Kriegsprofiteure, die in den Neunzigerjahren unter einem kleptokratischen Regime das international isolierte Serbien systematisch ausnahmen. Regimetreue Menschen wurden dank Manipulationen des Devisenkurses und garantierter Geschäftsmonopole über Nacht zu Millionären. Gegen keinen dieser „Geschäftsleute“ wurde Anklage erhoben. Die Finanzelite von Milošević’ Gnaden kauft nun unter dem Schleier der Privatisierung alles, was noch einen Wert hat.

Doch statt Karić schlicht wegen Steuerhinterziehung und Veruntreuung anzuklagen, warf ihm die Regierung vor, der Firma Mobikos „widerrechtlich“ und ohne Zustimmung Belgrads die Lizenz für Mobiltelefonie im Kosovo verkauft zu haben. Der Eigentümer von Mobikos sei der albanische „Extremist“ Ekrem Luka, der albanische Terroristen und die „Unabhängigkeit des Kosovo“ finanziert hätte. Dadurch sei die Sicherheit des Staates bedroht worden, meinte der Innenminister Dragan Jočić.

„Premier Vojislav Koštunica ist verrückt geworden“, meldete sich Karić jetzt aus Dubai zu Wort und dementierte alles. Er mache einen „Arbeitsurlaub“, erklärten seine Mitarbeiter. Karić wolle einer möglichen Verhaftung entgehen, spekulierten die Medien.

Doch auch Wien protestierte, denn Karić verkaufte im Mai seine Anteile an Mobtel der österreichischen Finanzgruppe um den Geschäftsmann Martin Schlaff. Dies sei „eine kalte Verstaatlichung“, die jedem „westlichen Rechtsverständnis“ widerspreche, konnte man in Österreich hören. Vizepremier Hubert Gorbach will eine Protestnote nach Belgrad schicken.

Zumal die ganze Causa Mobtel auch als Abrechnung mit der Opposition gedeutet werden kann: Die Partei Karić’ – des serbischen „Möchtegern-Berlusconi“ –, „Bewegung Kraft Serbiens“, liegt laut Umfragen an dritter Stelle und ist stärker als alle Parteien der Minderheitsregierung zusammen. Zudem kauft Karić einen nach dem anderen Abgeordnete im Parlament und konnte sogar eine eigene Fraktion „Für ein europäisches Serbien“ gründen. Die Regierung kann nur noch auf 129 von 250 Abgeordneten zählen, und Karić kauft weiter ein.

Sein Ziel ist klar: Durch politischen Einfluss will er sein Imperium und seine Freiheit verteidigen. Karić hatte sich rechtzeitig von Milošević distanziert und war vor der Wende zur bürgerlichen Opposition übergelaufen. Er unterzog sich einer Schönheitsoperation und kaufte sich mit seinem Geld neue Freunde.

Es ist ein Wettrennen mit der Zeit: Entweder gelingt es der Regierung, Karić’ Imperium zu vernichten und ihn hinter Gitter zu bringen, oder der Selfmademan aus der Stadt Peć im Kosovo schafft es, Neuwahlen herbeizuführen und in der nächsten Regierung Minister zu werden.

ANDREJ IVANJI