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Archiv-Artikel

betrachtet das Treiben auf Berlins Bühnen

ESTHER SLEVOGT

Der Name dieser Theatergründung war irgendwie ein Krisensymbol, und zwar lange bevor diese Krise überhaupt so hieß: Stadttheaterkrise. Damals, im April 2003, formierte sich eine Gruppe junger Theatermacher, produzierte fortan unter dem Label „Theaterdiscounter“. Ein erklärtes Feindbild war damals unter anderem die ordentliche (und teure) Ästhetik des Stadttheaters, der man mit subkulturellen Abenden forsch entgegentrat und selbstredend dann auch schnell dessen längst morsche Türen eingerannt hat. „Planet Porno“ hieß eines der kostengünstigen Trashformate des Theaterdiscounters, das zur Legende wurde. Sein Erfinder und Theaterdiscounter-Mitgründer Patrick Wengenroth inszeniert inzwischen längst an der Schaubühne. Manches Stadttheater ist gar ins Trudeln geraten, seit der Theaterdiscounter das Licht der Welt erblickte. Die Trashformate haben allenthalben Hochkonjunktur. Und den Theaterdiscounter gibt es auch immer noch. Zehn Jahre wird er jetzt alt. Zur Feier des Tages fragt man nun in einem Jubiläumsprogramm: „Das Stadttheater ist tot / Leben wir noch?“ (Theaterdiscounter: „Das Stadttheater ist tot / Leben wir noch?“, 25., 26., 27. 4. jeweils 20 Uhr)

Und was sonst so alles passieren kann, wenn Menschen eine verlassene Bühne entdecken – erst recht, wenn sie aus der fernen Zukunft zu uns stoßen, das führt uns der Abend „Soundtrack To Utopia“ vor, den die Regisseurin Jorinde Dröse für das Maxim Gorki Theater erfunden hat. Spannend könnte diese Frage auch deshalb werden, weil auf dieser Bühne von den Menschen aus der Zukunft fünf alte Holzkästen vorgefunden werden, die Klänge von sich geben, wenn man sie an bestimmten Stellen berührt. Auch anderes wird dort noch entdeckt, unter anderem Dokumente mit düsteren Texten aus den Zeiten, als Menschen noch Geld dafür bezahlten, sich von anderen Menschen auf der Bühne schlimmstes Unglück vor Augen führen zu lassen. Ein Zukunftsexperiment mit der Gegenwart also, ein musikalisches außerdem! – denn wir ahnen schon, diese Holzkästen dort auf der verlassenen Bühne, das müssen Klaviere sein. (Maxim Gorki Theater: „Soundtrack To Utopia“, 26. 4., 19.30 Uhr)

Die Bühne als Regisseur entdeckt in dieser Woche auch der Schauspieler Ulrich Matthes, dessen Regiedebüt am Montag in den Kammerspielen des Deutschen Theaters Premiere hat: ein Stück des britischen Dramatikers Simon Stephens, das nach dem tiefsten See Großbritanniens „Wastwater“ heißt. Dieser See wird bei Simons zur Metapher für die Angst. (Kammerspiele Deutsches Theater: „Wastwater“, 27. 4., 20 Uhr)