zwangseinweisungen : Zu kleine Schritte
Immerhin: Die schwarz-gelbe Landesregierung benennt ein Problem, über das ihre Vorgänger nur sehr ungern sprachen: In Nordrhein-Westfalen werden einer sehr großen Zahl von Menschen die Freiheitsrechte aberkannt. Gegen ihren Willen werden sie in psychiatrischen Krankenhäusern behandelt – mit Medikamenten, die erwiesenermaßen sehr starke Nebenwirkungen haben und die Persönlichkeit verändern können. Medizinische Notwendigkeiten, die sogar lebensrettend sind, sagen die einen, und verweisen auf psychisch kranke Gewalttäter und Menschen, die sich aufgrund einer akuten psychischen Störung das Leben nehmen wollen. Andere bezeichnen das Verfahren als gewalttätigen Freiheitsentzug und verweisen darauf, dass auch Menschen ohne Tötungsabsichten – „zu ihrem Wohl“, wie es das Betreuungsrecht formuliert – in den Mühlen der Psychiatrie landen.
KOMMENTAR VONMIRIAM BUNJES
Zwangseinweisungen sind eine Gradwanderung. Und in NRW offensichtlich eine Glaubensfrage: Denn die Zahlen schwanken regional so stark, dass sie nicht medizinisch oder gar ethisch begründet werden können: Es ist unwahrscheinlich, dass in Dortmund und in Köln tatsächlich mehr lebensmüde und gewalttätige Patienten leben als in Herne oder Herford. Wahrscheinlicher ist, dass die Ärzte unterschiedliche Auffassungen von Psychiatrie vertreten. Diese lassen sich aber nicht durch 24-Stunden-Hotlines ändern, wie Laumann sie fordert, sondern nur durch schärfere Anforderungen für eine Zwangsmaßnahme. Aber immerhin macht der Minister nun ein verdrängtes Thema öffentlich: Allein das, zeigt die Studie, senkt die Zahl der Zwangseinweisungen. Reden Sie also noch mehr, Herr Laumann!