: Mehr Pfund für Hannover
Der NDR verstärkt seine Präsenz in Niedersachsen – mit einer neuen Vorabendschiene. Damit geht die erste Runde im Streit zwischen CDU-Ministerpräsident Wulff und Sender-Intendant Plog zu Ende
von Kai Schöneberg
Erneut enttäuschte Jobst Plog den niedersächsischen Ministerpräsidenten: Auch Stern und Spiegel seien zwar in Hannover gegründet worden, aber dann an die Elbe umgezogen, sagte der NDR-Intendant gestern. Und natürlich bleibe Hamburg Sitz des Norddeutschen Rundfunks. Dabei hatte Niedersachsens Regierungschef Christian Wulff (CDU) bei seinem Poltern gegen den NDR-Staatsvertrag die Verlegung der Sender-Zentrale gar nicht gefordert. Oder doch? Auf jeden Fall versuchte Plog gestern, mit seichten Zugeständnissen den Krach mit dem unzufriedenen Niedersachsen zu beenden.
Ab kommender Woche will der Vierländer-Sender seine Regionalberichterstattung ausweiten und montags und freitags je eine halbe Stunde lang TV-Dokus (“Die Nordreportage“) und ein Veranstaltungsformat (“Lust auf Norden“) im Landesfunkhaus Hannover produzieren. Wenn die Quoten stimmen, könnte die Programmleiste ab 18.15 Uhr auf alle Wochentage ausgedehnt werden. Außerdem soll ab dem 20. Januar die monatliche Talkrunde „Herman & Tietjen“ aus der Landeshauptstadt gesendet werden. Die „Verstärkung der niedersächsischen Präsenz“ sei auch von den anderen Staatsvertragsländern Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern „gewünscht“ worden, betonte Plog. Durch Einsparungen, Auslagerung und echter Verlegung von Kapazitäten von Hamburg nach Hannover werde künftig mit jährlich zwei Millionen Euro ein „verstärkter Niedersachsen-Effekt“ erreicht, sagte Plog. Sein Fernsehchef Volker Herres freute sich, dass alles „ohne Kollateralschäden“, sprich Kürzen im restlichen Programm, vonstatten gehe.
Rückblende: Per Paukenschlag hatte Wulff Ende 2004 mit einem Ausstieg aus dem Sender gedroht und durchsickern lassen, Niedersachsen könne ja auch beispielsweise mit dem CDU-regierten Hessen eine gemeinsame Rundfunkanstalt bilden. Der Zusammenschluss der vier Nord-Länder sei nicht „gottgegeben“. Seine Forderung: Die Sendergremien sollten verkleinert werden, zudem die Niedersachsen, die 60 Prozent der Gebühren beitragen, stärker im Programm vertreten sein. Daraufhin hatten nicht nur Wulffs SPD-Ministerpräsidentenkollegen Heide Simonis in Kiel und Harald Ringstorff in Schwerin geargwohnt, dem CDU-Mann gehe es allein um mehr politischen Einfluss beim NDR. Plog höchstselbst hatte in der Zeit gegen den bösen Medien-Wulff gewütet. Unter der Überschrift „Raubzug gegen den Rundfunk“ hatte Plog eine „klare Trennung zwischen Politik und Medien“, mittelfristig sogar den totalen Rückzug von Regierungsvertretern aus den Sendergremien gefordert.
Es sollte anders kommen: Im August trat der neue Staatsvertrag in Kraft, der einen kleineren Rundfunkrat und die Entsendung von Vertretern der Landesregierungen in den NDR-Verwaltungsrat vorsieht. Ob Wulff mit dem neuen unpolitischen Niedersachsen-Schwerpunkt im Programm zufrieden sein kann, ist aber zu bezweifeln. Offiziell begrüßte er gestern die “neue regionale Sendeschiene“. Vorher hatte er jedoch gefordert, Politmagazine wie „Panorama“ in Hannover zu produzieren oder regionale Fenster aus niedersächsischen Regionen ins Programm zu hieven. Der Streit zwischen Intendanten und Ministerpräsidenten geht also in die zweite Runde. Plog betonte gestern auf jeden Fall zwei Mal, er habe “heute“ mit Wulff „ein entspanntes Verhältnis“.