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Archiv-Artikel

Opposition gegen den Muslim-Test

SPD und Grüne in Baden-Württemberg kritisieren die neue Gesinnungsprüfung von CDU-Innenminister Rech. Der Fragenkatalog sei diskriminierend und sinnlos. Justizminister Goll (FDP) fordert, dass die Neuregelung für alle gilt

VON HEIDE PLATEN UND SABINE AM ORDE

Die Opposition im Stuttgarter Landtag will gegen den Gesinnungstest vorgehen, dem sich einbürgerungswillige Muslime seit Anfang des Jahres in Baden-Württemberg unterziehen müssen. Sieben SPD-Abgeordnete haben die Landesregierung per Antrag aufgefordert, dazu Stellung zu nehmen, warum die neue Regelung nur für Angehörige bestimmter Staaten gelte – und ob sie überhaupt Sinn ergebe. Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen, Brigitte Lösch, sprach von „einem unglaublichen Vorgang der Diskriminierung“ und forderte CDU-Innenminister Heribert Rech auf, die Neuregelung „schnellstens zurückzuziehen“.

Seit Jahresbeginn werden in Baden-Württemberg alle Muslime, die sich einbürgern lassen wollen, nach einem speziellen Fragenkatalog überprüft (siehe taz von gestern). Die 30 Fragen, die das Innenministerium entwickelt hat, beziehen sich nicht nur auf das Grundgesetz, sondern fragen unter anderem auch nach der Haltung zu Homosexuellen, zu Frauen als Vorgesetzten, zum Schwimmunterricht für Mädchen und ob sie Freunde verraten würden, die einen Terroranschlag begangen haben.

Die Aussagen könnten zur Verweigerung der deutschen Staatsbürgerschaft, falsche Antworten auch Jahre später zum Verlust des deutschen Passes führen, heißt es im Ministerium. Genauere Angaben zur Umsetzung konnte das Ministerium gestern allerdings nicht machen. Der Leitfaden ist speziell für Einwanderer aus den 57 Staaten konzipiert, die der Islamischen Konferenz angehören. Andere Einbürgerungswillige werden nur befragt, wenn Zweifel an ihrem Bekenntnis zum Grundgesetz besteht.

Die SPD-Abgeordnete Inge Utzt verurteilte einen Teil der Fragen als „infam und diskriminierend“ und „eine Zumutung für alle, die sich einbürgern lassen wollen“. Außerdem sei nicht einsichtig, warum die Einbürgerungsbewerber nur zum Teil zu ihrer Einstellung zur Homosexualität befragt werden.

Die Grüne Lösch hält den Fragenkatalog nicht nur für diskriminierend, sondern auch für „sinnlos“. Die Verfassungstreue des Einzelnen könne so nicht festgestellt werden. Gebildete Menschen wüssten, welche Antworten sie zu geben hätten. Andere, auch Deutsche, kämen „ganz schön ins Schleudern“, wenn sie Aussagen wie „Demokratie ist die schlechteste Regierungsform, die wir haben, aber die beste, die es gibt“ kommentieren sollten.

Der Stuttgarter Innenminister wies die Kritik zurück. Er sehe keine Diskriminierung von Muslimen, ließ er seine Pressestelle mitteilen. Doch das Innenministerium habe Zweifel, ob bei Muslimen generell davon auszugehen sei, dass ihr Bekenntnis bei der Einbürgerung auch tatsächlich ihrer inneren Einstellung entspreche. Diese Zweifel auszuräumen sei Ziel des Gesprächs.

Nach tagelangem Schweigen äußerte sich gestern erstmals der Ausländerbeauftragte der Landesregierung, Justizminister Ulrich Goll (FDP). In einem Interview mit dem Tagesspiegel sagte er, „dass es sich um eine interne Verwaltungsvorschrift des Innenministeriums handelt, die nicht im Kabinett“ abgestimmt worden sei. Goll begrüßte zwar, dass Einbürgerungswillige ein Bekenntnis zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung ablegten. Wichtig sei aber auch, dass „ein solcher Fragenkatalog für alle gilt und nicht auf Muslime beschränkt bleibt“. FDP-Fraktionschef Ulrich Noll sagte, man trage die Überprüfung mit, weil sie nach seiner Interpretation eigentlich für Einbürgerungswillige „jeglicher Herkunft“ gelte. Möglicherweise habe das Innenministerium seine Presseerklärung nur „etwas missverständlich formuliert“. Die Pressesprecherin des Innenministeriums aber betonte bei Nachfrage der taz erneut, dass die Aussagen in der Presseerklärung „so stimmen“.

Unabhängig davon hält FDP-Fraktionschef Noll einige der Fragen, zum Beispiel die zur Homosexualität, für „sehr merkwürdig“: „Ich glaube nicht, dass alle Deutschen diese Fragen ganz gelassen beantworten würden.“ Außerdem, sagte der Fraktionschef, sei die Initiative insgesamt „etwas naiv“: „Fundamentalisten herauszufiltern, das wird so nicht gelingen.“

Unterdessen haben auch die drei großen muslimischen Verbände und die säkulare Türkische Gemeinde in Deutschland das Vorgehen in Baden-Württemberg scharf kritisiert. Der Zentralrat der Muslime (ZMD) sieht in dem Fragenkatalog eine „grundgesetzwidrige Gewissensprüfung“. Viele Fragen seien Fangfragen, zudem seien auch unerwünschte Antworten oft noch im Rahmen des Grundgesetzes, sagte der ZMD-Vorsitzende, Nadeem Elyas, der taz. Der Islamrat bezeichnete den Fragenkatalog als einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes, wenn er sich nur an Muslime richte. Weiter heißt es: „Eine derartige Diskriminierung von Muslimen halten wir für äußerst Besorgnis erregend, weil sie Generalverdacht schürt und Vertrauen zerstört.“ Auch die Türkisch-Islamischen Union (Ditib) hält den Fragenkatalog für nicht mit den Grundrechten vereinbar.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) griff Baden-Württembergs Innenminister Rech scharf an. „Wenn der baden-württembergische Innenminister Rech die Muslime als Gruppe stigmatisiert und diskriminiert, dann ist er fehl am Platz“, sagte der Bundesvorsitzende der TGD, Kenan Kolat. „Ich fordere ihn auf, mit dieser Praxis sofort aufzuhören.“