Das neue Übergadget?

HYPE Apple-Chef Steve Jobs hat eine Vision: ein leicht zu bedienendes Lifestylegerät für alle Formen der Unterhaltungselektronik. Das iPad ist ein Schritt dahin – mehr erst mal nicht

Fakten: Das iPad wird 680 Gramm wiegen und mit einem 1-Gigahertz-Prozessor sowie bis zu 64 Gigabyte Speicherplatz ausgestattet sein. Die Akkulaufzeit soll zehn Stunden betragen.

Preis: Das iPad wird ab März verkauft und sollje nach Ausstattung zwischen 499 und 829 Dollar kosten. Zum Vergleich: Amazons E-Reader Kindle kostet 259 Dollar.

Kritik: Kaum vorgestellt, schon niedergemacht. Zahlreiche Technikblogger zeigten sich enttäuscht. Ihre Hauptkritikpunkte: keine Kamera, kein USB-Anschluss, stark eingeschränkte Multitaskingfähigkeit, nicht flash-kompatibel. Ob das den weniger computeraffinen Normalkunden abschreckt, ist eine andere Frage.

AUS NEW YORK SEBASTIAN MOLL

Monatelang hatte die Computerwelt auf diesen Termin hingefiebert, es wurde spekuliert und gebangt. Der Tag, an dem Apple-Chef Steve Jobs das neueste Gerät seiner Firma der Welt vorstellt, sollte der Tag sein, der alles verändert: das Schicksal von einem halben Dutzend Branchen, die Zukunft von kompletten Berufszweigen, unser ganzes Leben.

Doch als Jobs am Mittwoch im kalifornischen Cupertino mit der Präsentation des iPad, wie er seine neue Kreation nennt, fertig war, herrschte mehr Ratlosigkeit als Klarheit darüber, wie unsere Zukunft wohl aussehen mag. Irgendwie war der Nachmittag unbefriedigend: Was das iPad bringen wird, blieb beinahe genauso vage wie zuvor. „Das iPad ist ein Gefäß, ein anderthalb Pfund schwerer Sack voller Möglichkeiten“, kommentierte ein Blogger der New York Times. „Es kann alles werden oder nichts, und jeder, der behauptet, er wisse es genauer, ist ein Tor.“

Immerhin wusste man nun, wie es aussieht: wie ein sehr großes iPhone, ein schmaler, gewohnt eleganter Tablet-Computer in Beinahe-DIN-A4-Größe, mit berührungsempfindlicher Oberfläche und ohne Tastatur. Darauf soll man schöner und vor allem flexibler Bücher, Zeitschriften und Zeitungen lesen können, besser Filme, Fotos und TV-Shows anschauen und mit mehr Spaß Computerspiele spielen als auf einem Laptop oder einem Smartphone. Man kann mit dem iPad auch E-Mails abrufen, Termine organisieren und Texte schreiben, doch dafür ist es nicht in erster Linie gedacht.

Das iPad, so das Konzept von Jobs, soll sich als universelles Unterhaltungs- und Nachrichtengerät etablieren, mit dem wir ständig Zugriff auf alle Informationen der Welt haben. Der eigentliche Vorzug vor einem Laptop ist dabei die simplere Handhabung ausschließlich mit den Fingern: Diese vermeintlich intuitivere Bedienbarkeit soll auch bislang weniger computeraffine Nutzer ansprechen.

Gegenüber einem E-Reader bietet das iPad wiederum erheblich mehr Möglichkeiten. Das Leseerlebnis von Büchern und Zeitschriften etwa ist so gut wie bislang nur auf Papier – mit dem Bonus, dass man relevante Links anklicken, Illustrationen, Grafiken und Videos abrufen und Randbemerkungen machen kann.

Noch ist es jedoch ein weiter Weg, bis das iPad unser ständiger Allzweckbegleiter ist. Technisch hat das iPad zweifellos dieses Potenzial, aber das hatten auch schon etliche Geräte vor ihm. Microsoft hat schon mehrfach versucht, zusammen mit Computerherstellern wie HP, Tablet-Computer erfolgreich auf den Markt zu bringen. Durchgesetzt hat sich davon keiner.

Apple und Steve Jobs setzen wie gewohnt auf den Vorteil des überlegenen Designs. Wie beim iPhone hofft man darauf, dass das iPad nicht nur zum unverzichtbaren Lifestyleaccessoire wird, sondern dass sich die Anbieter von Inhalten auch darum reißen, aufs iPad zu kommen. Doch ob es auch so weit kommt, ist alles andere als ausgemacht.

Weit fortgeschritten ist die Kooperation von Apple mit dem Buchmarkt. Fünf große US-Verlage haben unterschrieben – genug, um für das iPad einen iBook-Store aufzumachen

Darauf, dass dies schwieriger und langwieriger wird, als Jobs sich das vielleicht vorgestellt hat, gab es am Mittwoch in Cupertino erste Hinweise. So konnte Jobs nicht eine einzige Zeitschrift präsentieren, die sich klar zum iPad als Vertriebsweg bekennt.

Dabei soll nach den Wünschen von Apple ja das iPad gerade für die ums Überleben kämpfende Printbranche eine echte Alternative, vielleicht sogar die Rettung sein. Für die schönen neuen iMagazine, so die Hoffnung, ist der Leser im Gegensatz zu deren bisherigem Netzauftritt wieder bereit, Geld zu zahlen. Und auch die Anzeigenkunden sollen für die hübsche Pad-Anmutung willens sein, wieder ordentlich in die Tasche zu greifen.

Bislang haben zwar einzelne Zeitschriften wie GQ zugesagt, eine iPad-Application zu entwickeln, also eine eigene Anwendung, mit der man ihr Produkt auf dem iPad beziehen kann. Das Geschäftsmodell für iPad-Magazine scheint aber noch ausgesprochen unklar. Man weiß bislang weder, wie man Anzeigen verkaufen soll und wie die Preise dafür berechnet werden können, noch, wie eine Vertriebsstruktur für Zeitschriften im iPad-Format aussehen könnte. Zu groß scheint die Furcht zu sein, dass man Apple die Kontrolle über wesentliche Teile des Business überlässt – so wie das via iTunes im Musikvertrieb geschehen ist. Die Zeitschriften wollen einerseits zwar einen Kiosk nach dem Vorbild des iTunes-Stores, über den der iPad-Benutzer jede Zeitschrift und Zeitung, die er möchte, kostenpflichtig herunterladen kann. Andererseits will man sich jedoch nicht in Inhalte oder Vertriebswege hineinreden lassen. Ob sich diese Spannungen in den kommenden Monaten lösen lassen, bleibt zweifelhaft: „Jobs muss aufpassen“, sagte am Mittwoch etwa ein Vertreter des Time-Medienkonzerns kämpferisch. „Ohne unsere Inhalte ist der iPad nicht mehr als ein schwarzer Bildschirm.“

Die Zeitungsbranche war derweil etwas weniger sperrig – zumindest das Flaggschiff New York Times. Jobs konnte stolz eine iPad-Ausgabe der NY Times vorstellen, die Softwareentwickler der Zeitung hatten sich überschlagen, um ihr Produkt Apple-gerecht aufzubereiten.

Ein großer Schritt vom bisherigen Onlineangebot war das allerdings ohnehin nicht mehr: Die Website der Times ist schon lange multimedial und interaktiv – und die New York Times gehörte auch zu den ersten Verlagen, die ein App fürs iPhone anboten. Es ist, als habe die Times nur auf den Tablet gewartet. Wie das Geschäftsmodell der iTimes aussieht und ob es sich zu einem Zukunftsmodell für den Printjournalismus entwickeln kann, ist jedoch auch weiterhin unklar.

Am weitesten fortgeschritten in seinen Verhandlungen mit den Content-Providern für sein Gerät war Jobs bis zum Mittwoch auf dem Buchmarkt. Fünf große US-Verlage haben bei Jobs unterschrieben – genug für Apple, um einen iBook-Laden aufzumachen. Der Benutzer kann dort per iPad ab April in ein virtuelles Regal greifen, sich einen Titel herausgreifen, ein Bezahlfeld antippen und loslesen.

Anzeigenverkauf, Preise, Vertriebsstruktur: Das Geschäftsmodell für iPad-Magazine ist noch ziemlich unklar

Die Buchverlage an Bord zu holen war für Jobs allerdings auch vergleichsweise leicht: Es gibt ein Konkurrenzgerät, das vom iPad klar ausgestochen wird. Während die E-Reader etwa von Amazon (Kindle) und Sony sich im Wesentlichen nur zum Lesen eignen, man vielleicht gerade noch ein wenig Musik darauf abspielen kann, ist der iPad eine komplette Multimediamaschine.

Nun muss sich zeigen, ob die Konsumenten auch bereit sind, für den iPad den höheren Preis zu zahlen, den Jobs im Vergleich zu Amazon verlangt (siehe Kasten). Auch auf diesem Feld ist Apple also noch weit von der Vormachtstellung entfernt, die man im Musikbereich erreicht hat.

Es ist also noch ein weiter Weg zurückzulegen, bis Jobs ein Gerät hat, welches das ganze digitale Leben in sich vereint und zur Grundausstattung der urbanen Elite im 21. Jahrhundert gehört. Am Mittwoch in Cupertino hat er lediglich seine Ambition unterstrichen, irgendwann einmal Herr einer solchen Maschine zu sein sowie aller Dinge, die sich auf ihr abspeichern lassen.

Jobs hat die Vision, dass alle Bücher, Musik, Nachrichten, Filme und Fernsehserien der Welt durch seine Hände laufen – alles also, was wir hören, anschauen und lesen. Irgendwie muss man froh sein, dass ihm das nicht so leicht gemacht wird, wie er es gerne hätte. Ganz gleich, wie schick so ein iPad sein mag.