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Archiv-Artikel

Tore und Transparente

WM 2014 Im Maracanã-Stadion wird wieder Fußball gespielt. Darüber freuen sich nicht alle. Eine Stadtteilbewegung mobilisiert gegen die privatisierte Arena

RIO DE JANEIRO taz | Nach über zweieinhalb Jahren Umbau sind im legendären Maracanã-Stadion die ersten Tore gefallen. 27.000 Zuschauer, darunter Präsidentin Dilma Rousseff, verfolgten am Samstag das erste Testspiel. Eine Auswahl von Altstars um Ex-Weltmeister Ronaldo besiegte ein von Bebeto angeführtes Seniorenteam mit 8:5.

Vor dem Anpfiff brachten bekannte Musiker das Publikum in Stimmung. Auf den Rängen saßen auch 8.000 Arbeiter, die in den letzten Wochen rund um die Uhr am Wahrzeichen des brasilianischen Fußballs gebaut haben. Brasilien werde der Welt und all denen, die an unserer Fähigkeit zweifeln, die WM zu organisieren, eine Lektion erteilen, erklärte der zweifache Torschütze Ronaldo im Anschluss an das Spiel.

Wiederholt hatte der Weltfußballverband Fifa die Verzögerungen bei den Stadionbauten in Rio de Janeiro und den anderen elf Austragungsorten der WM 2014 kritisiert. Im Maracanã sind Teile der Tribüne noch nicht montiert, an vielen Stellen sind die Bauarbeiten noch nicht abgeschlossen. Nach der Renovierung für umgerechnet gut 300 Millionen Euro soll das Stadion 79.000 Zuschauer fassen.

Bürgerinitiativen und Aktivisten sozialer Bewegungen nutzten den Festakt zu Protesten. Am Nachmittag demonstrierten sie gegen die Räumung des Indigena-Museums, einer Schule und anderer Sportstätten, die dem Umbau weichen müssen. Vor Beginn des Spiels entrollten Aktivisten im Stadion Transparente gegen die Privatisierung des Maracanã.

Der Protest ist Teil einer breiten Stadtteilbewegung, die auf die negativen Auswirkungen der Fußball-WM und der Olympischen Spiele 2016 aufmerksam macht. Wegen der Neubauten sind die Wohnungen Zehntausender Menschen geräumt worden, so eine Studie des Bewegungskomitees. Insbesondere arme Menschen würden sozialen Säuberungen zum Opfer fallen, die Immobilienspekulation und die Kommerzialisierung des Sports werden als Kehrseite des Spektakels kritisiert.

Bei seiner Eröffnung zur WM 1950 war das Maracanã das größte Stadion der Welt. Die offizielle Wiedereröffnung des Fußballtempels wird am 2. Juni mit einem Freundschaftsspiel zwischen Brasilien und England gefeiert. Im Sommer 2014 wird dort das Endspiel der WM ausgetragen, zwei Jahre später wird es die Bühne für die Eröffnung der Olympischen Spiele sein. ANDREAS BEHN