: Amtsgutachten eines Nervenarztes im Visier
SKANDALE Zwangspensionierung von vier hessischen Steuerfahndern wird erneut untersucht
WIESBADEN | Die Steuerfahnderaffäre bleibt brisant für den hessischen Finanzminister Karlheinz Weimar (CDU). Am Donnerstag konstituierte sich im Wiesbadener Landtag auf Antrag von SPD und Grünen der erste Untersuchungsausschuss des Jahres 2010. Von 2003 bis 2006 hatte sich ein solches Gremium schon einmal ergebnislos mit den Hintergründen um die Zwangspensionierung von vier Finanzamtskontrolleuren befasst.
Die Steuerfahnder hatten sich bereits 2001 ausgebremst und gemobbt gefühlt, nachdem sie als „Dreamteam“ im Frankfurter Finanzamt Banken und deren Großkunden ins Visier genommen und dem Fiskus Millionenbeträge zurückgebracht hatten. Diese Erfolge, vermuteten sie damals, seien von der CDU-Regierung nicht mehr gewollt worden. Es folgten lange, behördeninterne Streitereien, Krankmeldungen und schließlich die zwangsweise Versetzung auf andere Posten und dann in den unfreiwilligen Ruhestand. Grundlage war ein vom Versorgungsamt in Auftrag gegebenes Gutachten des Nervenarztes Thomas H.
Die Affäre bekam neuen Schwung, weil ein Berufsgericht den Arzt 2009 zu 12.000 Euro Geldbuße verurteilte. Die Gutachten seien fehlerhaft gewesen, die Entlassungen ungerechtfertigt.
Weimar hätte damals, so Rechtsexperten, die „insgesamt rechtsfehlerhaften“ Entlassungen in seiner übergeordneten Behörde gründlich prüfen müssen, ehe er sie absegnen ließ. Die Opposition scheiterte mit ihrem Vorschlag nach einer unabhängigen Untersuchungskommission.
Nach wochenlangem Bestreiten räumte der Minister im Dezember Fehler ein und bot den Fahndern die Wiedereinstellung an. Allerdings müssten sie zuvor mit einem selbst zu zahlenden, neutralen Gutachten ihre Dienstfähigkeit noch einmal überprüfen lassen. Diese lehnten ab und drohten dem Land stattdessen mit Schadensersatzklagen, auf die sie aber derzeit wegen des Untersuchungsausschusses verzichten wollen. Eine Klage, so Exfahnder Rudolf Schmenger, könnte dazu führen, dass Zeugen im Untersuchungsausschuss ihre Aussagen mit Hinweis auf das dann laufende Verfahren verweigern könnten.
Das neue Gremium soll sich diesmal auch mit dem Führungsstil, den internen Querelen der Finanzbehörden und den Reaktionen und langen Krankmeldungen der Steuerfahnder auseinandersetzen. Inzwischen begrüßte auch die CDU den Ausschuss, denn er biete die Möglichkeit, die Vorwürfe „endlich nach klaren Regeln“ aufzuklären. Der Koalitionspartner FDP warf der Opposition „parteipolitisches Theater“ vor. Es müsste auch ausführlich „über die auffälligen Krankenzeiten der Fahnder“ gesprochen werden.
In der Landtagssitzung stellte sich Ministerpräsident Roland Koch ausdrücklich vor seinen Finanzminister. Weimar habe es nicht verdient, „durch den Schmutz gezogen“ zu werden. Der künftige CDU-Obmann Peter Beuth sagte, durch den Ausschuss könne „die Sachaufklärung endlich an Stelle der Kampagne“ treten, die von Grünen und Medien angezettelt worden sei. Er warf den Grünen vor, dass sie Einfluss auf die vier Betroffenen ausgeübt hätten, damit diese auf eine Klage verzichteten.
Währenddessen häufen sich in Hessen die Meldungen aus anderen Behörden, dass dort ebenfalls gemobbt und dann mit Amtsgutachten in den Ruhestand versetzt worden sei. Weitere Finanzbeamte und auch Polizisten meldeten sich zu Wort. Einem Polizisten sei zum Beispiel „das querulantische Bestehen auf seinen Rechten“ vorgeworfen worden. Er geht da- von aus, dass er „kostengünstig entsorgt“ werden sollte.
HEIDE PLATEN