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Archiv-Artikel

„Der große Gewinner ist Likud-Chef Netanjahu“

Scharon wird als größter Premier seit Ben Gurion in die Geschichte eingehen. Seine Partei ist nicht am Ende, meint Politologe Schmuel Sandler

taz: Bedeutet das politische Ende Scharons auch das Aus für seine neue Partei, die Kadima?

Schmuel Sandler: Das ist schwer zu sagen. Auf jeden Fall wird sie deutlich geschwächt werden. Es ist nicht mehr die gleiche Partei. Auf der anderen Seite besteht in Israel klarer Bedarf an einer Zentrumspartei. Die Frage ist, ob es der Kadima auch ohne Scharon gelingen wird, den Likud und die Arbeitspartei an die Seite zu drängen. Es hängt auch von den beiden Parteien ab, wie sie die Chance nutzen, der Kadima Wählerstimmen abspenstig zu machen.

Wie könnten sie das tun?

Mit liberaleren politischen Stellungnahmen.

Wen halten Sie für den Posten des Kadima-Vorsitzenden am geeignetsten?

Es gibt eine Galerie von Namen. Die frühere Justizministerin Zippi Livni ist sehr charismatisch und hat sich in den vergangenen Jahren als sehr kluge Politikerin hervorgetan.

Ist Israel reif für eine Frau an der Spitze?

Warum denn nicht. Es wäre schließlich nicht die erste Premierministerin. In Zusammenarbeit mit Verteidigungsminister Schaul Mofas oder Ex-Nachrichtendienstchef Awi Dichter würde ich ihr Chancen einräumen.

Wen halten Sie für den großen Gewinner der jüngsten Entwicklungen?

Den Likud-Chef Benjamin Netanjahu. Er wird auf jeden Fall gestärkt aus dieser Situation hervorgehen.

Halten Sie es jetzt für möglich, dass sich ehemalige Likud-Politiker wieder von der Kadima verabschieden und in ihr altes politisches Lager zurückkehren?

Das hängt sehr von Netanjahu ab. Wenn er ihnen das Tor öffnet und eine Rückkehr in Würde ermöglicht, dann vielleicht.

Wie soll er das tun?

Er kann ihnen gute Posten anbieten.

Wie schätzen Sie die Perspektive für den Friedensprozess ein?

Der Friedensprozess liegt vorläufig auf Eis. Sämtliche Hauptfiguren sind außer Gefecht gesetzt. Israel beginnt eine Phase ohne wirklich handlungsfähigen Regierungschef. Bei den Palästinensern herrscht ohnehin das Chaos, in dem jeder gegen jeder kämpft. Und auch der dritte Spieler – US-Präsident George W. Bush – kann im Moment nicht viel ausrichten.

Wie, glauben Sie, wird sich die Nachwelt an Ariel Scharon erinnern?

Als einen der größten Führer Israels nach David Ben-Gurion, dem ersten Premier.

Welches ist heute die größte Errungenschaft seiner politischen Laufbahn?

Die Intifada zu zerschlagen. Ich glaube, dass es hier doch einen Sieg auf unserer Seite gab.

Und sein größter Fehler?

Unter den gegebenen Umständen würde ich sagen, dass er nicht viel anders handeln konnte. Ich glaube nicht, dass er einen entscheidenden Fehler gemacht hat. INTERVIEW: SUSANNE KNAUL