JANNIS PAPADIMITRIOU ZUR NEUEN SPARRUNDE IN GRIECHENLAND
: Zu viel Tunnel am Ende des Lichts

Nach dem Sparpaket ist vor dem Sparpaket. Im Gegenzug für weitere Hilfskredite hat das griechische Parlament am vergangenen Sonntag einen neuen Katalog der Grausamkeiten verabschiedet. Dazu gehören verfassungsrechtlich bedenkliche Vorschriften wie die Kopfsteuer für Immobilienbesitzer, Massenentlassungen von Staatsbediensteten und die Förderung von Billiglöhnen im öffentlichen Dienst.

Erstmals würden Städte und Gemeinden berechtigt, befristete Verträge für Hilfsarbeiter zum Netto-Tagessatz von 19 Euro anzubieten – und das „in Abweichung von dem geltenden Gesetz“, wie es so schön dezent heißt. Mit anderen Worten: Tarifverträge werden außer Acht gelassen.

Einen bitteren Beigeschmack bekommt die Sparlawine auch dadurch, dass sie im Eilverfahren durchgesetzt wurde: Ganze neun Stunden hatten die Volksvertreter Zeit, um über das Gesetz zu debattieren und abzustimmen; die Linksopposition spricht von einem „Verfassungsstreich“.

Noch bitterer scheint für die Griechen die Erkenntnis, dass die Regierung und offenbar auch die aus EU, IWF und EZB bestehende Troika im vierten Jahr in Folge auf die „üblichen Verdächtigen“ setzen, um die Staatsfinanzen zu sanieren: Reederfamilien und große Vermögen bleiben weitgehend verschont, Kleinverdiener und -eigentümer müssen bluten.

Aber spätestens im Europawahljahr 2014 müsste die griechische Dreiparteienregierung den krisengebeutelten Wählern und der erodierenden Mittelklasse verbindlich sagen, wann Licht am Ende des Tunnels kommt. Weniger wird nicht erwartet in einem Land mit einer Rekordarbeitslosigkeit von 27,2 Prozent. Sonst droht die Gefahr, dass die Gesellschaft explodiert. Und dass ab Mai 2014 erstmals eine Neonazi-Partei aus Griechenland ins Europäische Parlament zieht.

Wirtschaft + Umwelt SEITE 9