Chronologie

27. Dezember 2004

Laye Alama Condé wird von der Bremer Polizei wegen Verdachts auf Kokainhandel an der Sielwallkreuzung aufgegriffen. Er verschluckt sieben Kügelchen mit Kokain und wird in das Polizeipräsidium gebracht. In einem speziell dafür ausgestatteten Raum fixieren zwei Polizisten den sich heftig wehrenden Condé. Igor Volz, ein Arzt des Beweissicherungsdienstes, verabreicht ihm das Brechmittel Ipecacuanha. Dabei wird ihm soviel Wasser in den Magen gepumpt, das es schließlich in die Lunge eindringt. Infolgedessen treten Atemstillstand und kurz danach der Hirntod ein. Die Diagnose des hinzugerufenen Notarztes: „Ertrinken“. Laya Condé fällt ins Koma und wird in das St.-Joseph-Krankenhaus eingeliefert.

4. Januar

Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) erklärt in einem Fernsehinterview bei „buten un binnen“: „Der Umstand, das er jetzt gesundheitliche Folgen davonträgt, ist im wesentlichen darauf zurückzuführen, das er eine dieser Kapseln offensichtlich zerbissen und sich dadurch eine Vergiftung zugeführt hat. Nach meinen Informationen befindet er sich nicht mehr in Lebensgefahr.“

5. Januar

Innensenator Röwekamp setzt den zwangsweisen Einsatz von Brechmitteln in Bremen „bis auf weiteres“ aus. Er bekräftigt seine Äußerung vom Vortag, „Schwerstkriminelle“ müssen mit „körperlichen Nachteilen“ rechnen.

7. Januar

Laya Condé stirbt auf der Intensivstation des St.-Joseph-Krankenhauses. Die Staatsanwaltschaft Bremen nimmt Ermittlungen auf. Diese konzentrieren sich zunächst auf den Arzt des Beweissicherungsdienstes, Igor Volz. Später werden sie auf den hinzugerufenen Notarzt, Jörg Günther ausgeweitet.

11. Januar

Angehörige von Laya Condé erstatten Anzeige gegen Innensenator Röwekamp wegen übler Nachrede und fordern dessen Rücktritt. Das Verfahren wird am 19.1. eingestellt.

13. Januar

Bei einer Sitzung der Innendeputation wird bekannt, das gemäß einer Dienstanweisung des ärztlichen Beweissicherungsdienstes aus dem Jahr 2001 die Vergabe von Brechmitteln per Magensonde bei „heftiger Gegenwehr“ unzulässig ist. Die Bremer Ärztekammer kündigt rechtliche Schritte gegen den an den Zwangsmaßnahmen beteiligten Mediziner Igor Volz an.

14. Januar

34 Bremerinnen und Bremer erstatten Strafanzeige gegen Innensenator Röwekamp, u. a. wegen fahrlässiger Tötung und anderen Delikten. Am 16. Februar stellt die Staatsanwaltschaft Bremen das Verfahren ein. Der „Weser-Kurier“ weigert sich eine Todesanzeige für Laya Condé zu drucken, in der die Formulierung „durch menschenverachtende Behandlung im Gewahrsam der Bremer Polizei umgekommen“ verwendet wird.

15. Januar

An einer Demonstration gegen rassistische Polizeigewalt in Bremen beteiligen sich 1000 Menschen.

24. Januar

Der Koalitionsausschuss der Bremer Landesregierung entscheidet, in Zukunft auf zwangsweise Brechmittelvergabe zu verzichten. Ersatzweise soll künftig „Beweissicherungshaft“ gegen mutmaßliche Drogenhändler verhängt werden, bis etwaige verschluckte Drogenpäckchen auf natürlichem Wege ausgeschieden werden. Dazu sollen Gefängniszellen mit speziellen Toiletten ausgestattet werden.

26. Januar

Ein Misstrauensantrag der Grünen gegen Innensenator Röwekamp scheitert bei der Abstimmung in der Bremischen Bürgerschaft. Acht Abgeordnete der großen Koalition stimmen mit den Grünen und der FDP gegen Röwekamp.

Juni 2005

Ein erstes, von der Staatsanwaltschaft Bremen in Auftrag gegebenes Gutachen über die Todesursachen Laya Condés kommt zu keinem schlüssigen Ergebnis, schließt aber Wasser in der Lunge als Todesursache aus.

Juni/Juli 2005

Nach sechsmonatiger Laufzeit kündigt die Leiterin der Ärztlichen Beweissicherung, Monika Haenelt, ihren Vertrag mit der Polizei. Gemeinsam mit zehn weiteren Ärzten hatte sie im Januar die Nachfolge von Michael Birkholz angetreten. Birkholz, Leiter des rechtsmedizinischen Institutes des St.-Jürgen-Krankenhauses, musste wegen Unstimmigkeiten mit der Polizeiführung die Beweissicherung zum 31. Dezember 2004 abgeben. Unter seiner Leitung war es zum Tod Laya Condés gekommen. Nach mehrwöchiger Suche schließt die Polizeiführung erneut einen Vertrag mit Birkholz ab. Dieser habe „das günstigste von drei Angeboten vorgelegt“, so ein Polizeisprecher.

August 2005

Ein ebenfalls von der Staatsanwaltschaft in Auftrag gegebenenes Zweitgutachten stellt als Todesursache Laya Condés Wassereintritt in die Lunge durch Brechmittelvergabe fest.

November 2005

Der Berliner Rechtsmediziner Volkmar Schneider, Verfasser des ersten Gutachtens, relativiert seine frühere Feststellung, Condé sei keinesfalls durch „Wasserintoxikation“ gestorben. Er widerspricht der gegenteiligen Feststellung des Zweitgutachters nicht mehr. Die Staatsanwaltschaft geht nun offiziell davon aus, Condé sei ertrunken und schließt die Ermittlungen vorerst ab. Bislang ist unklar, ob und –wenn ja – gegen wen Anklage erhoben wird. cja