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Archiv-Artikel

Der Araber unter den Kühen

NUTZTIERVIELFALT Das Angler Rind war einmal die dominierende Rasse in Schleswig-Holstein. Heute steht es vor dem Aussterben. Dabei ist es robust, schmackhaft und gut für Käse

Carpaccio vom Angler Rind

Das Restaurant „Olearius“ im Ringhotel Waldschlösschen in Schleswig verarbeitet Angler Rinder, zum Beispiel zu Carpaccio:

■ Zutaten: 200 Gramm Rinderfilet, Olivenöl, Limette, 40 Gramm Parmesan, glatte Petersilie, Schnittlauch und Kerbel, Salz und Pfeffer.

■ Zubereitung: Die Kräuter werden fein gehackt und an das Rinderfilet angedrückt. Das Filet wird in Folie gewickelt und kurz angefroren, so dass es mit der Maschine in dünne Scheiben geschnitten werden kann. Mit den Fleischscheiben den Boden eines Tellers auslegen.

■ Marinade: Das Olivenöl mit dem Limettensaft mischen. Die Soße mit Zucker, Salz und Pfeffer abschmecken und auf das Fleisch pinseln. Parmesan grob darüber reiben.

■ Dauer: 60 Minuten

■ Beilagen: Schmand mit grünem Pfeffer, Rucola, Feldsalat und Ciabatta eignen sich gut.

Es gibt Leute, bei denen das Angler Rind Begeisterung auslöst: „Die sind total wach, total neugierig“, schwärmt Andrea Hetzler vom Luna-Hof bei Everorde im Harzvorland. Wer sich mit ihnen befasse, habe nicht ein stumpf vor sich hin glotzendes Rind vor sich, sondern ein Gegenüber. „Das ist der Araber unter den Rindern“, findet sie.

Hetzler bemüht sich seit ein paar Jahren, diese gefährdete Nutztierrasse zu retten. Wie der Name sagt, stammt das Angler Rind aus dem Norden Schleswig-Holsteins. Nach Angaben des Vereins Slowfood gab es vor dem Krieg dort mehr als 80.000 Stück – 94 Prozent des Bestandes. Heute gibt es nach Zählung Hetzlers noch rund 350 „Angler Rinder alter Zuchtrichtung“ – reinrassige Angler – in Deutschland.

Mit solchen Rassen geht die genetische Vielfalt bei den Nutztieren verloren. Die Zuchtbasis verschmälert sich. Für die Landwirte wird es schwieriger, sich auf veränderte Bedingungen der Umwelt oder der Wirtschaft oder neue Krankheiten einzustellen. Weil das so ist, grasen drei Angler Kühe auf den Wiesen der Arche Warder, einem Zentrum für Alte Nutztierrassen, das Greenpeace südlich von Rendsburg betreibt. „Das sind unheimlich ruhige Tiere“, sagt Eike Fandrey, Landwirt auf der Arche. Sie hätten feste Klauen, seien gut zu Fuß, gute Futterverwerter und kümmerten sich gut um ihre Kälber.

All das sind Eigenschaften, die sie für den Ökolandwirt Jens Otterbach vom Buschkrughof östlich Hamburgs interessant machen. Anders als schwere Hochleistungskühe könnten die leichten Angler sich ihr Futter selber suchen. Auch ohne Kraftfutter blieben sie kräftig und gäben gute Milch. „Das, was mein Betrieb selber bietet, kann ich mit diesem Tier besser ausnutzen“, sagt Otterbach. Die Angler passen zu der geschlossenen Kreislaufwirtschaft eines Bio-Betriebs.

Das gilt auch für die Produkte, die der Landwirt aus ihnen gewinnen kann. Ihr Fleisch gilt als besonders zart. Im Gewebe selbst ist viel Fett eingelagert, was das Fleisch saftig und aromatisch macht. „Das ist Top-Ware“, lobt Rüdiger Schärling, Inhaber des Restaurants Nil im Museum Hildesheim. „Schön gemasert, rote Farbe, man sieht eine richtige Struktur.“ Mit einem Braten vom alten Angler Rind habe er sogar eine Delegation aus Hildesheims französischer Partnerstadt Angoulême begeistert.

Auch die Milch des Anlger Rinds hat es in sich. Mit einem deutlich überdurchschnittlichen Fettgehalt von 5,4 Prozent sei sie früher als „Deutsche Butterkuh“ bezeichnet worden, haben die Leute von Slowfood recherchiert, denen es darum zu tun ist, die Qualität und Vielfalt der Lebensmittel zu fördern.

Beim alten Angler Rind liegen sie damit in vielfacher Weise richtig. Denn seine Milch kann besonders hochwertiges Fett mit einem hohen Anteil an Omega-3-Fettsäuren enthalten, sofern es auf der Weide gehalten wird. „Die Qualität des Fetts hängt von der Fütterung ab“, sagt der Ökobauer Otterbach.

Das Erbgut des Angler Rinds hingegen bewirkt, dass sich aus seiner Milch besonders guter Käse herstellen lässt: Die Milch enthält besonders viel Eiweiß und meist auch Kappa-Kasein, was das Käsen begünstigt.

Otterbach glaubt, dass das Angler Rind wiederkommt. „Weil man für die Milch kein Geld mehr bekommt, ist die Milchleistung nicht mehr entscheidend“, sagt er. Zumindest im Bio-Sektor habe die Rasse wegen ihrer Qualität sowie ihrer Anpassungsfähigkeit eine Zukunft.