: Die FDP zur CDU: Mal hü, mal hott
Opposition im Bund, Koalitionspartner von Regierungsparteien in fünf Bundesländern: Da tut sich eine Partei schon schwer mit dem Wahlkampf
aus Stuttgart HEIDE PLATEN
Keine spektakulären Auftritte baden-württembergischer Quertreiber, keine Menschentrauben, keine erregten Diskussionen schwäbischen Zungenschlags vor dem Stuttgarter Staatstheater beim traditionellen Dreikönigstreffen der Freien Demokratischen Partei (FDP) gestern Vormittag. Die Landesvorsitzende Birgit Homburger verwies zum Auftakt des baden-württembergischen Landtagswahlkampfes auf die 140-jährige Geschichte der Liberalen im Südwesten. Die Reden waren gespickt mit Zitaten des humanistischen Bildungsbürgertums: Erich Kästner, Albert Schweitzer, Theodor Heuss.
Der Fraktionsvorsitzende im Bundestag, Wolfgang Gerhardt, griff die große Koalition und insbesondere Bundeskanzlerin Angela Merkel an. Sie habe mit dem Koalitionsvertrag „eine Art Fleißarbeit“ hingelegt, die aber keinerlei Erneuerung verspreche, sozialdemokratisch geprägt sei, mehr Staat und weniger Entbürokratisierung bedeute. Das gelte für die geplante Erhöhung der Mehrwertsteuer ebenso wie für die Arbeitsmarktpolitik, die Renten-, Gesundheitsreform und die Bürgerversicherung.
Zentrales Thema seiner Rede waren die Bürgerrechte: „Wir sind eine Rechtsstaats- und Bürgerrechtspartei.“ Es gehe nicht an, dass die Bundesrepublik die Fußballweltmeisterschaft zum Anlass nehmen wolle, die Bundeswehr im Inland einzusetzen nach dem Motto: „Jetzt rüsten wir mal ein bisschen auf.“ Er kritisierte außerdem, ebenso wie Parteivorsitzender Guido Westerwelle, die Geheimhaltung der Entführung und Folterung eines deutschen Staatsbürgers durch den US-amerikanischen Geheimdienst. Westerwelle forderte umfassende Aufklärung auch von Ex-Außenminister Joschka Fischer darüber, was was wirklich geschehen sei, und rügte die vagen Auskünfte: „Ein bisschen Folter vielleicht?“ Die FDP fordere einen Untersuchungsausschuss: „Der Rechtsstaat muss von uns verteidigt werden.“
Ansonsten verzichteten die Freien Demokraten diesmal ebenso auf allzu heftige Attacken gegen ihre bundespolitischen Kontrahenten wie auf ihre tatsächlichen und potenziellen Koalitionspartner in den Bundesländern. In Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg sind sie mit der CDU verbandelt, in Rheinland-Pfalz mit der SPD. Der baden-württembergische Spitzenkandidat, Justizminister Ulrich Goll, gab die Strategie für die Wahl am 26. März mit einem Zitat des chinesischen Philosophen Lao Tse vor: „Wenn du deinen Feind besiegen willst, dann kämpfe nicht mit ihm.“ Allerdings kritisierte er die Wahlkampfstrategie des CDU-Ministerpräsidenten Günther Oettinger: Die Schwerpunkte Familien- und Kinderpolitik sollten harte, wirtschaftspolitische Themen „verstecken“ und ein bisschen „Wärme in sein Image bringen“. Außerdem verdächtigte er Oettinger eines heimlichen „Flirts mit den Grünen“.
Westerwelle gab Oettinger wieder etwas Recht wegen dessen offensiver Verteidigung der Atomenergie. Zwar wolle bei der FDP niemand „neue Kernkraftwerke bauen“, aber derzeit sei es unverantwortlich, die bestehenden Anlagen, die technisch auf dem neuesten Stand seien, einfach abzuschalten und dafür auf „unsichere Energien“ aus anderen Ländern und damit „zu einseitig auf ein Pferd“, zum Beispiel die russische Gazprom, zu setzen. Westerwelle attackierte vor allem Ex-Bundeskanzler Schröder wegen seines Beratervertrages mit dem Energielieferanten. Er rechnete außerdem vor, dass die FDP stärkste Oppositionskraft im Bundestag sei und nur noch in einem einzigen Bundesland in eine Koalitionsregierung gewählt werden müsse, um im Bundesrat „den gröbsten Unsinn verhindern“ zu können, zum Beispiel die Erhöhung der Mehrwertsteuer. Er strebe bei den Wahlen dieses Jahres – außer in Baden-Württemberg noch in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt am 26. März, in Berlin und Mecklenburg-Vorpommern am 17. September – ein Ergebnis „im zweistelligen Bereich“ an.