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Archiv-Artikel

Expansion der Discounter

Im Dorf Clenze im Wendland wehren sich Bürger gegen den Abriss von denkmalgeschützten Häusern, die Platz für einen Lidl machen sollen. Die Kommunalpolitiker aber hören nur klingelnde Kassen

Ungewöhnlich ist, dass Lidl nicht wie bisher nur viel Platz will, sondern den Abriss von Gebäuden in Kauf nimmt

von Eiken Bruhn

Das waren noch Zeiten, als fortschrittsgläubige Bürgermeister mit Begeisterung historische Gebäude und Dorfplätze einebnen ließen, um dort Platz zu schaffen für das Neue, für Supermärkte und Sparkassen und Arztpraxen und Parkplätze und Straßen. Mittlerweile stehen die Geschäfte seit Jahren leer und die Bürgermeister loben Preise aus für gebärfreudige Paare, um wenigstens ein bischen Zukunft im Ort zu behalten.

Vergangene Zeiten? In Clenze, einem 2.500-Seelen-Dorf im Wendland, fürchtet man die Rückkehr zu Bausünden der Vergangenheit. Mitten im Ort sollen drei unter Denkmalschutz stehende Häuser abgerissen werden, weil der Discounter Lidl das Grundstück begehrt. Der Gemeinderat hat dem Projekt zwar zugestimmt, doch vielen Clenzern ist es ein Dorn im Auge. Während die einen allergisch anmerken, dass sie einen Supermarkt vor die Nase gesetzt bekämen, der für die Ausbeutung seiner MitarbeiterInnen bekannt sei, hängen die anderen am Stadtbild, das ihrer Meinung nach mit dem Abriss verschandelt würde.

Er verstehe nicht, warum die Verantwortlichen dem Discounter das Gelände versprochen haben, sagt der promovierte Historiker Ulrich Schröder, der sich für den Erhalt der drei Gebäude einsetzt. „Das wäre städtebaulich ein Unding.“ Viel Hoffnung hat er allerdings nicht mehr. Mittlerweile habe Lidl den Kaufpreis der Gebäude so hoch getrieben, dass es schwer fallen werde, jemand zu finden, der mehr zahlen will, zumal alle Häuser stark renovierungsbedürftig sind.

Auch das zweite Argument der Abriss-Gegner – der Denkmalschutz – wird wahrscheinlich wenig helfen. Heftig gestritten wird derzeit darüber, wie baufällig die Häuser sind und ob sich ihr Erhalt rentiert. Das Problem ist dabei, dass diejenigen, die über die Entlassung der Gebäude aus dem Denkmalschutz entscheiden, dieselben sind, die sich für den Lidl stark machen. War früher die zwischen der Landes- und der kommunalen Ebene angesiedelte Bezirksregierung zuständig, sind es jetzt die Kommunen selbst.

Landesbaudirektor Jürgen Weinhold etwa hält den Discounter für unverzichtbar, weil er Käufer nach Clenze hole, die ihr Geld auch in den anderen beiden Supermärkten lassen sollen. Während deren Geschäftsführer Angst haben, Kundschaft zu verlieren, glaubt Weinhold, dass sie davon profitieren werden – wenn sie es schaffen, etwas anzubieten, was der Discounter nicht im Sortiment hat. Was kein leichtes Unterfangen wird, zumal in einen weiteren Neubau auch eine Drogeriekette ziehen soll.

Die Bereitschaft der Kommune zugunsten eines Unternehmens auf den Denkmalschutz zu verzichten, empört diejenigen, die sich für alte Gemäuer auf dem Land einsetzen. Die finanzielle Misere der öffentlichen Hand führe dazu, dass die Gemeinderäte „reihenweise umknicken“, wettert der Landesbeauftragte der Interessengemeinschaft Bauernhaus, Heinz Riepshoff. Gleichzeitig sieht er eine Tendenz der Discounter sich überall auf dem Land breit zu machen.

Ob es tatsächlich eine Strategie gibt, auch die Dörfer zu erobern, ist unklar. Zwei der letzten vier Lidl-Neueröffnungen fanden immerhin in Orten statt, die nur 4.300 beziehungsweise 3.200 Einwohner haben. Lidl selbst wollte sich dazu nicht äußern. In Bezug auf die Vorgehensweise sei der Vorfall in Clenze ungewöhnlich, sagt Gregor Prinzensing vom Institut für Regionalentwicklung bei Berlin. Bisher sei die „Lidlisierung“ anders verlaufen. „Die wollten einfach Platz haben, abgerissen wurde dafür nichts.“

Sicher sei aber, dass Interessen des Denkmalschutzes besser vertreten werden, wenn sie nicht bei den Kommunen angesiedelt sind, sagt Ursula Schirmer von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz. Die Hoffnung auf Arbeitsplätze und höhere Steuereinnahmen treibe offenbar die lokalen Politiker und Verwaltungschefs dazu, sich allzu schnell auf die Bedingungen von Unternehmen einzulassen. „Ob Lidl wirklich mehr bringt als eine sanierte Altstadt – das muss sich noch zeigen“, sagt Schirmer.