Kabul mag den 2/4 Takt

Seit 15 Jahren leitet der Pianist Babrak Wassa die Chöre des rheinisch-bergischen Sängerkreises. Jetzt hat er eine neue afghanische Nationalhymne komponiert. Präsident Karsai war davon sehr angetan

VON PETER ORTMANN

Bis gestern ist Babrak Wassa noch davon ausgegangen, dass seine Nationalhymne für Afghanistan in Kabul bereits ausgewählt wurde. Seine Komposition wurde dem afghanischen Kabinett unter Vorsitz von Präsident Hamid Karsai bereits vorgespielt und der „sei sehr angetan gewesen“. Doch Wiederaufbauminister Amin Farhang wollte „lieber etwas Schmissigeres“ und deshalb ist wohl wieder eine weitere Vertonung im Rennen. „Farhang ist eben ein sehr energischer Mensch“, sagt Wassa in seinem Wohnort Rösrath.

Seit über 15 Jahren ist er dort Kreischorleiter des rheinisch-bergischen Sängerkreises, bertreut mehrere Chöre, als Pianist wirkte der Absolvent des rennomierten Moskauer Konservatoriums „Tschaikowski“ bei der Filmmusik zum Spielfilm „The Crossing“ (Niederlande, 1999) mit. Ansonsten ist Wassa eng mit der Bergischen Region verbunden, wird von den Sängerinnen und Sängern dort verehrt. Die so genannten „Wassa-Chöre“ haben vor Weihnachten noch Benefizkonzerte zu Gunsten der tsunamigeschädigten Bevölkerung in Indien gegeben, sind aber auch zum Weihnachtsingen im Altenzentrum. Seit 1980 lebt Babrak Wassa in Deutschland, musste seine Heimat Afghanistan als politischer Flüchtling verlassen, wo er damals Generalmusikdirektors beim staatlichen Rundfunk und Fernsehen in Kabul war. Seit 1996 besitzt er die deutsche Staatsbürgerschaft.

Jetzt will er sofort mit dem Kulturministerium in Kabul telefonieren. „Sie haben mich bereits gebeten eine Orchesterversion zu komponieren“, sagte er der taz. Eine Seite habe er bereits fertig. Weitermachen wolle er aber nicht, bevor im Kabuler Parlament entschieden sei. Dann kommt der Komponist wieder zum Vorschein. Gleich zwei Versionen seiner Melodie habe er im letzten Jahr in die afghanische Hauptstadt geschickt. Eine im 7/8 Takt und eine mit 2/4. Dort habe man sich sofort für den Rhythmus des Schrittmaßes (2/4) entschieden. Der Entwurf für die neue Hymne sei eine Kombination aus Marschmusik und Volkslied-Elementen. „Die Melodie muss aber für afghanische Ohren vertraut klingen“, sagt Wassa. Das sei enorm wichtig.

1973 wurde in Afghanistan zum ersten Mal eine Nationalhymne eingeführt. Ab 1978 wurde eine neue, dem ideologischen Anspruch gemäße Hymne gesungen. Die Taliban verboten dann, wie jegliche Musik, auch die Nationalhymne im damaligen Islamischen Staat. Nach ihrer Vertreibung wurde die alte Version erst einmal wieder eingesetzt. Doch das neu gewählte Parlament will für den Neuanfang auch eine neue Hymne, deren bereits genehmigter Text von Afghanistan als Heimat verschiedener Stämme handelt.

Die hat Babrak Wassa in Rösrath bereits auf seinem Computer. In einer Version, die er mit einem Keyboard und mit Gesang erarbeitet hat. Die endgültige Hymne will er dann mit einem namhaften deutschen Orchester aufnehmen: „Wenn ich gewinne“